EU-Staaten dürfen die humanitären Konsequenzen ihrer Flüchtlingspolitik nicht länger ignorieren
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MSF fordert die EU auf, ihre Bemühungen nicht auf die Abriegelung ihrer Grenzen zu konzentrieren, sondern mehr zum Schutz der Flüchtlinge zu unternehmen.
Nach der Tragödie vor der italienischen Insel Lampedusa, bei der am 3. Oktober fast 300 Menschen ertrunken sind, und anlässlich des heutigen Besuchs einer Delegation europäischer und italienischer Amtsträger auf der Insel fordert MSF die Mitgliedstaaten der EU auf, ihre Anstrengungen nicht ausschliesslich darauf zu konzentrieren, die Grenzen für Schutzsuchende abzuriegeln. Stattdessen muss die EU mehr unternehmen, das Leben dieser Menschen zu beschützen, sowohl durch verstärkte Rettungsmassnahmen im Meer als auch durch eine deutliche Verbesserung der Aufnahmebedingungen von Flüchtlingen und Migranten.
„Die EU-Staaten dürfen die konkreten humanitären Konsequenzen ihrer restriktiven Politik nicht länger ignorieren“, warnt Freya Raddi, Einsatzkoordinatorin von MSF. „Die Tragödie vor Lampedusa ist eine direkte Folge dieser Politik, die Schutzsuchende und Flucht kriminalisiert.“
Immer gefährlichere Routen
Die verschärften Kontrollen an den Grenzen der EU zwingen Flüchtlinge und Migranten, auf immer gefährlicheren Routen nach Europa zu gelangen. Das hat oft fatale Auswirkungen: Unzählige Menschen haben bereits ihr Leben verloren – manche nur wenige Kilometer vor der italienischen Küste, andere in den Transitländern, in denen sie häufig Gewalt und Übergriffen ausgesetzt sind. Jene, die die Reise überleben, finden sich in Auffanglagern wieder, in denen erbärmliche Lebensbedingungen herrschen.
„Das Auffanglager auf Lampedusa ist derzeit vierfach überbelegt“, betont Raddi. „Familien schlafen im Freien, in behelfsmässigen Unterkünften aus Plastik und Matten. Dies zeugt davon, dass die Behörden auf eine Situation, wie sie derzeit in Lampedusa herrscht, nicht vorbereitet sind – obwohl sie vorhersehbar war.“
Fast 30'000 Hilfesuchende seit Anfang Jahr
Auf dem Boot, das vergangene Woche in der Nähe von Lampedusa kenterte, befanden sich gegen 500 Flüchtlinge, Asylsuchende und Migranten. Mehr als 300 von ihnen ertranken. Seit Januar sind fast 30'000 Personen per Boot von Libyen, Ägypten und Syrien nach Italien gelangt. Die Menschen waren vor Gewalt und Konflikten geflohen und benötigten internationalen Schutz.
„Regierungen dürfen nicht weiter versuchen, Migrationsströme zu kontrollieren, wenn dies auf Kosten des Schutzes für Flüchtlinge und den Rechten von Migranten geschieht“, betont Raddi. „Sie müssen sich dringend mit umfassenden Hilfe- und Schutzmassnahmen befassen und langfristige Lösungen vorschlagen.“
MSF ist seit 2002 regelmässig auf der italienischen Insel Lampedusa tätig. Teams der Organisation unterstützen auch die Aktivitäten zur Eindämmung von Infektionskrankheiten in mehreren Auffangzentren in Rom und Sizilien. In Ragusa (Sizilien) unterstützt MSF die Gesundheitsbehörden bei der Versorgung von Migranten, Flüchtlingen und Asylbewerbern in lokalen Gesundheitszentren. In der sizilianischen Hafenstadt Pozzallo sind derzeit aufgrund einer Massenankunft von Migranten mehrere Teams rund um die Uhr im Einsatz.