Libyen: MSF wird nicht zu gewaltsam vom Schiff „Nivin“ gebrachten Menschen vorgelassen
© Sara Creta/MSF
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Seit der Räumung des Frachtschiffes „Nivin“ am Dienstag im Hafen von Misrata wird den MSF-Teams der Zugang zu den etwa 80 gewaltsam an Land gebrachten Flüchtlingen und Migranten verweigert. Zehn Tage lang hatte die Organisation die Menschen immer wieder an Bord behandelt, die teilweise unter schweren Verätzungen leiden und in Libyen Opfer von Folter geworden waren. MSF ist äusserst besorgt über ihr Wohlergehen, da keine Informationen herausgeben werden, wo sich die Menschen befinden und wie ihr Gesundheitszustand ist.
MSF kritisiert vehement, dass es trotz wiederholter Appelle zum Verzicht auf Gewalt innerhalb von 10 Tagen nicht gelungen ist, einen Kompromiss als Alternative zum Einsperren der Menschen zu finden. Die Vorgänge zeigen einmal mehr das Versagen der Beteiligten, verletzlichen Menschen in Libyen so dringend benötigten Schutz zu gewähren.
Am Dienstag hatten libysche Sicherheitskräfte etwa 80 Flüchtlinge und Migranten gewaltsam von dem unter panamaischer Flagge fahrenden Frachtschiff „Nivin“ an Land gebracht. Ein MSF-Team wurde währenddessen daran gehindert, das Gelände zu betreten. Unter den zwangsweise an Land gebrachten Menschen befanden sich mehr als 20 Minderjährige, Opfer von Menschenhandel und Folter in Libyen sowie Personen, die sich vom UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR als Flüchtlinge registrieren lassen wollten.
Die Gruppe von ursprünglich knapp 100 Menschen an Bord der „Nivin“ war aus Seenot gerettet worden. Sie hätte danach nicht nach Misrata zurückgebracht werden dürfen. Stattdessen hätten die Menschen in einen sicheren Hafen gebracht werden müssen, so wie es das Völker- und Seerecht vorsehen. Libyen ist kein sicherer Ort. Dies hat das UNHCR wiederholt offiziell bekundet.
Als die Menschen noch an Bord der „Nivin“ waren, hatte ein medizinisches Team von MSF an mehreren Tagen insgesamt mehr als 90 ärztliche Behandlungen ausgeführt. Eine kleinere Gruppe hatte die Nivin bereits am 14. November verlassen. Sie wurden in einem offiziellen Internierungslager inhaftiert. Die an Bord verbliebenen Menschen weigerten sich weiter, in Libyen von Bord des Schiffes zu gehen. Sie fürchten, erneut willkürlicher Inhaftierung, Folter, Gewalt und Zwangsarbeit ausgesetzt zu sein, die sie in Libyen bereits erlitten hatten.
Aus Seenot gerettete Menschen aus internationalen Gewässern an die libysche Küste zurückzubringen, ist ein Bruch des Völkerrechts sowie von Seerechtsübereinkommen. In Libyen werden sie auf unbestimmte Zeit willkürlich inhaftiert. All dies ist das Ergebnis der europäischen Politik, die bewusst und um jeden Preis verhindern will, dass Flüchtlinge, Migranten und Asylsuchende die Grenzen der Europäischen Union erreichen.
Erst kürzlich ist Italien noch einen Schritt weitergegangen. Indem die Staatsanwaltschaft von Catania die Beschlagnahmung des von SOS Méditerrannée und MSF gemeinsam betriebenen Rettungsschiffs „Aquarius“ wegen angeblicher Unregelmässigkeiten in der Entsorgung von Bordabfällen gefordert hat, brandmarken die italienischen Behörden diejenigen, die Schutzsuchenden zu Hilfe kommen, als Kriminelle. Dies ist ein weiterer Schritt in einer bereits seit zwei Jahren andauernde Reihe von Verleumdungskampagnen, gerichtlichen Ermittlungen und administrativen Hürden, die die humanitäre Arbeit behindern.
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