Libyen: Geflüchtete durch Kämpfe in Tripolis gefährdet
© Guillaume Binet/Myop
Libyen3 Min.
In den letzten 72 Stunden nach einem Ausbruch von Gewalt in Tripolis haben sich die Lebensbedingungen für besonders gefährdete Gruppen wie der in Libyen inhaftierten Migranten und Flüchtlinge weiter verschlechtert.
Die internationale Hilfsorganisation Médecins Sans Frontières/Ärzte ohne Grenzen (MSF) betont einmal mehr, dass Libyen kein sicheres Land ist.
Am Sonntag den 26. August brachen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden bewaffneten Gruppen in Tripolis aus. Schwere Schusswechsel in bewohnten Gebieten haben zu einer unbestimmten Anzahl von Opfern geführt. Die Kämpfe haben auch das Leben der rund 8‘000 Migranten und Flüchtlinge gefährdet, die in Internierungslagern in der Stadt gefangen sind. Manche waren über 48 Stunden ohne Nahrung eingesperrt. Andere, die freigelassen wurden, hatten keine andere Wahl, als in benachbarte Viertel zu fliehen, dabei liefen sie Gefahr, bei Schusswechseln getroffen zu werden.
Diese neuerliche Gewalt zeigt einmal mehr, dass Libyen kein sicherer Platz für Flüchtlinge und Migranten ist.
„Viele sind aus kriegszerrütteten Ländern geflohen oder haben Monate in furchtbarsten Zuständen verbracht, nachdem sie von Menschenhändlern eingesperrt und in die Internierungslager gebracht worden waren. Diese Menschen sind bereits sehr gefährdet und finden sich nun in diesem neuen Konflikt wieder, ohne Möglichkeit zu entkommen. Sie dürfen nicht eingesperrt werden, nur weil sie auf der Suche nach Sicherheit oder einem besseren Leben waren. Sie sollten umgehend entlassen und in Länder evakuiert werden, in denen sie sicher sind“ sagt Ibrahim Younis.
Seit Ausbruch der Kämpfe ist der bereits zuvor hohe Bedarf an humanitärer Hilfe innerhalb und ausserhalb der Lager noch weiter angewachsen. Die MSF-Teams haben die erste medizinische Hilfe seit Beginn der Kämpfe wieder aufgenommen und verteilen Nahrung und Wasser an einige Menschen, die noch in den Internierungslagern gefangen sind. MSF und andere humanitäre Organisationen haben allerdings nur sehr eingeschränkten Zugang zu jenen, die dringend Hilfe benötigen. Auch die libysche Bevölkerung ist von den Kämpfen betroffen und hat kaum Zugang zum Gesundheitssystem.
Nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) handelt es sich bei rund der Hälfte der Menschen, die derzeit in den Internierungslagern gefangen gehalten werden, um Flüchtlinge aus Konfliktregionen wie Eritrea, Äthiopien, Somalia und dem Sudan. Diese Menschen haben nach internationalem Recht Anspruch auf Schutz. Doch die libyschen Behörden, Regierungen von sicheren Staaten sowie die Vereinten Nationen haben keinerlei Möglichkeiten für diese Menschen geschaffen, Asylanträge zu stellen. Europäische Staaten haben stattdessen sogar Mechanismen geschaffen, die Asylsuchende davon abhalten sollen, Libyen zu verlassen.
Dabei geht es ihnen unter anderem darum zu verhindern, dass Menschen das Mittelmeer überqueren, indem die von Europa unterstützte libysche Küstenwache auf dem Meer Gerettete an die libysche Küste zurückbringt. Die überwiegende Mehrheit der Menschen, die sich derzeit in den offiziellen Internierungslagern befindet, wurde auf See aufgegriffen und nach Libyen zurückgebracht. Die ohnehin schlechten Lebensbedingungen in den völlig überfüllten Lagern in Tripolis wurden auf diese Weise noch verschlimmert. Es gibt zu wenig Trinkwasser, Sanitäranlagern und medizinische Versorgung, was zu körperlichen und seelischen Erkrankungen der Menschen in den Lagern führt.
MSF fordert die europäischen Regierungen auf anzuerkennen, dass Libyen kein sicherer Ort ist. Sie müssen mehr tun, um Menschen, die in Libyen gefangen sind, zu helfen, das Land sicher verlassen zu können.
MSF ist seit 2011 in Libyen tätig. Seit 2016 leisten die Teams in Internierungslagern in Tripolis medizinische Grundversorgung sowie psychosoziale Betreuung und unterstützen die Wasser- und Sanitäranlagen. MSF ist zudem die einzige Organisation, die Migranten und Flüchtlinge aus den Internierungslagern in Notfällen in Spitäler überweist. MSF ist ebenfalls in Internierungslagern in Homs, Zliten und Misrata tätig und leistet medizinische Versorgung in Bani Walid.
© Guillaume Binet/Myop