Nigeria: Katastrophale Lebensbedingungen töten mehr Menschen als Gewalt
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Die vom Konflikt betroffene Bevölkerung im Bundesstaat Borno braucht dringend Lebensmittelnothilfe.
Die humanitäre Not im Nordosten Nigeria hat mittlerweile katastrophale Ausmasse erreicht. Die internationale Nothilfeorganisation Ärzte ohne Grenzen / Médecins Sans Frontières (MSF) fordert dringend und sofort massive Hilfeleistungen in abgelegenen Gebieten wie auch in der Hauptstadt des Bundesstaates Borno.
Der andauernde Konflikt zwischen Boko Haram und dem nigerianischen Militär hat verheerende Auswirkungen auf die Lebensbedingungen im Bundesstaat Borno. In verschiedenen Gebieten sind Menschen in Städte oder Lager geflüchtet, die vom Militär kontrolliert werden. Dort sind die Vertriebenen vollkommen von externer Hilfe abhängig, die jedoch nicht bei ihnen ankommt. „Obwohl bereits vor drei Monaten ein Nahrungsmittelnotstand ausgerufen wurde, ist die Hilfe für die Menschen in Borno komplett gescheitert“, sagt Hugues Robert, Leiter der Noteinsätze von MSF. „Wir fordern nochmals einen massiven Hilfseinsatz, der unverzüglich starten muss.“
Desolate Situation von Ngala und Gamburu
Am 19. September 2016 haben MSF-Teams die Stadt Ngala erreicht, wo 80‘000 Vertriebene in einem von der Aussenwelt abgeschnittenen Lager leben. Sie benötigen dringend Nahrung und medizinische Versorgung. Die Menschen sitzen in diesem Lager fest und können es nicht verlassen. Erste medizinische Untersuchungen von mehr als 2‘000 Kindern unter fünf Jahren haben gezeigt, dass eines von zehn Kindern an lebensbedrohlicher Mangelernährung leidet. Die Menschen im Lager berichten, dass sie weniger als einen halben Liter Wasser pro Person und Tag zur Verfügung haben. Die Teams von MSF stellten Nahrung und medizinische Versorgung sicher und erweitern nun die Unterstützung.
Untersuchungen im nahegelegenen Gambaru zufolge leidet eines von sieben Kindern an starker Mangelernährung. Den 123‘000 Bewohnern der Stadt mangelt es an Grundnahrungsmitteln und sie haben keinen Zugang zu medizinischer Versorgung, nachdem das einzige Spital in der Stadt niedergebrannt ist. Die Strassen sind zu gefährlich, als dass die Menschen in einer anderen Stadt medizinische Hilfe suchen könnten.
Bis jetzt ist die geleistete Hilfe völlig unzureichend
Die desolate Situation von Ngala und Gamburu zeigt sich auch in Bama, Banki und Gwoza – alle Städte waren wegen der unsicheren Lage bis vor kurzem nicht erreichbar und wurden nun von MSF mit Nahrung und medizinischer Hilfe versorgt. Besonders beunruhigend ist die Situation in Maiduguri, wo keine Kämpfe stattfinden und Hilfsorganisationen die Bevölkerung in den letzten zwei Jahren unterstützen konnten. An mehreren Orten in Maiduguri war die Rate an Mangelernährung dennoch so hoch wie in den Konfliktgebieten. In der Hauptstadt leben 2.5 Millionen Menschen, wovon mehr als die Hälfte Vertriebene aus anderen Gebieten des Staates Borno sind. Auch hier haben MSF-Teams Kinder untersucht und herausgefunden, dass eines von fünf an schwerer Mangelernährung leidet. Die Sterberate ist fünfmal höher als jene Rate, die als Grenzwert für einen Notfall gilt. Die Hauptursache dafür ist Hunger.
„Bis jetzt ist die geleistete Hilfe völlig unzureichend, unkoordiniert und schlecht auf die Bedürfnisse der Menschen abgestimmt, die an den Folgen dieses Konfliktes leiden“, sagt Natalie Robert, MSF Programmverantwortliche für Noteinsätze. „Um eine noch grössere humanitäre Katastrophe zu verhindern, müssen Nahrung und medizinische Hilfe sofort in abgelegene aber zugängliche Gebiete des Bundesstaates Borneo gebracht werden. Die nigerianischen Behörden haben die Verantwortung, diese Hilfeleistungen für tausende Menschen sicherzustellen, die in unmittelbarer Lebensgefahr schweben.“
MSF leistet im Nordosten Nigerias seit 2014 medizinische Hilfe für Menschen, die durch die Gewalt vertrieben wurden. In anderen Teilen des Landes, wie Zamfar, Port Harcourt und Jahun, betreibt MSF weiterhin umfangreiche Projekte der Kinderheilkunde und Familienplanung und leistet Hilfe bei medizinische Notfällen, wie Meningitis- und Masernausbrüchen.
2015 haben unsere Teams über 33‘500 ambulante Behandlungen durchgeführt, 18‘100 Patienten gegen Malaria behandelt, 9‘200 Geburten betreut und 2‘400 chirurgische Eingriffe durchgeführt.