Das Jahr 2023 in Bildern
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Ein neues Jahr hat begonnen, das für unsere Teams wiederum zahlreiche Herausforderungen bereithält. Hier wollen wir dennoch auf 2023 zurückschauen – ein Jahr, das die Teams von Ärzte ohne Grenzen in allen Teilen der Welt auf Trab gehalten hat. Die Gründe waren vielfältig: Naturkatastrophen oder extreme Klimaereignisse, aber auch massive Vertreibungen aufgrund von gewaltsamen Konflikten. Manchmal fühlen wir uns angesichts des schieren Ausmasses des Hilfsbedarfs überfordert. Manchmal, wenn sich die Geschichte einmal mehr zu wiederholen scheint, auch frustriert. Doch diese Gefühle sind wie weggeblasen, wenn wir den einzelnen Menschen gegenüberstehen, die in voller Härte von einer Krise getroffen wurden. Diese Menschen sind da, in unseren Einrichtungen, und wir sind an ihrer Seite, bereit, ihnen beizustehen.
Januar Angriff auf Dnipro, Ukraine
Der Krieg in der Ukraine trifft weiterhin auch Städte, die sich weit weg von den Kampfgebieten befinden. So etwa bei dem Angriff auf die Stadt Dnipro Mitte Januar, bei dem mehrere Gebäude zerstört wurden. Unsere Teams leisten medizinische und psychologische Hilfe und verteilen wichtige Hilfsgüter. Leicht Verletzte versorgen sie an Ort und Stelle, Menschen mit schweren Verletzungen bringen sie ins nächste Spital. Die Angriffe auf Wohngebäude und Infrastruktur, darunter auch Gesundheitseinrichtungen, dauern das ganze Jahr über an. Dies erschwert der Bevölkerung den Zugang zu medizinischer Versorgung. Mehr dazu.
Februar Erdbeben in der Türkei und Syrien
Der Februar beginnt mit einem der verheerendsten Erdbeben des 21. Jahrhunderts in der Türkei und Syrien. Am 6. Februar um 4.17 Uhr wird der Südosten der Türkei, in der Nähe der syrischen Grenze, von einem Erdbeben der Stärke 7.7 erschüttert; dabei sterben mehr als 45 000 Menschen. Unsere Teams leisten humanitäre Hilfe und konzentrieren sich danach in Zusammenarbeit mit einer lokalen Organisation auf psychologische Unterstützung für die Betroffenen. Mehr dazu
März – Freddy, der am längsten anhaltende Wirbelsturm aller Zeiten
Von Februar bis März richtet Freddy, der am längsten anhaltende tropische Wirbelsturm in Madagaskar, Moçambique und Malawi, verheerende Schäden an. In Madagaskar ist Ärzte ohne Grenzen bereit, um die medizinischen Tätigkeiten auszubauen. Denn gleichzeitig grassiert Malaria und der Südosten ist von einer schweren Mangelernährungskrise betroffen. Die wiederkehrenden Naturkatastrophen verschärfen die Lage zusätzlich. Im Süden von Malawi unterstützen unsere Teams das Queen-Elizabeth-Spital in Blantyre mit medizinischem Material und Personal zur Versorgung der Verletzten und für chirurgische Eingriffe. Im Distrikt Blantyre stellt Ärzte ohne Grenzen auch Trinkwasser und Chlor bereit, saniert die Wasserversorgung, leert Latrinen und verteilt Güter wie Decken, Brennholz und Küchenutensilien. Mehr zu unseren Einsätzen in Madagaskar und Malawi.
April – Ausbruch eines bewaffneten Konflikts treibt Hunderttausende Sudanes:innen in die Flucht
Am 15. April brechen im Sudan gewaltsame Kämpfe aus. Ärzte ohne Grenzen ist vorerst gezwungen, ihre Aktivitäten in der Hauptstadt Khartum und in El Geneina, West-Darfur, einzustellen. Hunderttausende Menschen strömen auf der Suche nach Schutz in den Osten Tschads. Unsere Teams starten sofort einen Nothilfeeinsatz, um den Vertriebenen und der lokalen Bevölkerung dringend benötigte medizinische Hilfe anzubieten. Auch Monate nach Beginn des Kriegs im Sudan ist es äusserst schwierig, im Sudan zu arbeiten und Hilfsgüter vor Ort zu transportieren. Dies gefährdet das Leben zahlreicher Menschen. Mehr dazu
Mai – Menschen auf der Flucht
Ende 2022 waren weltweit insgesamt 108,4 Millionen Menschen wegen Gewalt, Unsicherheit oder den Folgen des Klimawandels auf der Flucht. Das sind 19 Millionen mehr als Ende 2021; dies entspricht der grössten Zunahme von einem Jahr auf das nächste. Mehr als die Hälfte der Projekte von Ärzte ohne Grenzen richtet sich an Menschen, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Überall auf der Welt sind unsere Teams unermüdlich im Einsatz, um Menschen, die auf einen Schlag alles verloren haben, beizustehen. Mehr dazu.
Juni – Vertriebene des Konflikts in Nord-Kivu, DR Kongo, von Mangelernährung bedroht
Ärzte ohne Grenzen stellt fest, dass die Hilfe für die Menschen, die nach den Kämpfen im Zusammenhang mit der wiedererstarkten bewaffneten Gruppe M23 fliehen mussten, nur langsam anläuft und unzureichend ist. Mehrere Camps rund um Goma bieten fast 600 000 Personen Schutz. Diesen fehlt es insbesondere an Nahrung und geeigneten Unterkünften. Eine von Ärzte ohne Grenzen in den Camps Rusayo, Shabindu und Don Bosco durchgeführte Mortalitätsstudie für den Zeitraum von Januar bis April ergibt eine alarmierend hohe Sterblichkeit bei Kindern unter fünf Jahren. Im Camp Elohim wird zudem im Mai ein Viertel aller Kinder wegen Mangelernährung behandelt. Viele Vertriebene berichten, dass sie seit ihrer Ankunft – die bei einigen im Januar war – keine Nahrungsmittelhilfe erhalten haben. Mehr dazu
Juli – Mangelernährung im Sudan und in Nigeria
Wie jedes Jahr haben unsere Teams in mehreren Ländern mit einer massiven Zunahme von Mangelernährung zu kämpfen. Ursache sind häufig Folgen des Klimawandels, die zu Überschwemmungen und intensiveren und schwerer vorhersehbaren Dürren führen. Dies erschwert den Umgang mit dem Nahrungsmittelengpass zwischen zwei Ernten. So auch im Nordwesten Nigerias, wo wir im Juli unsere Hilfstätigkeiten ausweiten, um in den folgenden Monaten eine Katastrophe zu verhindern. Im Sudan, im Bundesstaat Weisser Nil, reagieren unsere Teams auf die Ankunft von 140 000 Personen, die vor dem Konflikt in Khartum geflohen sind. In den zehn Camps, in denen rund 387 000 Menschen untergebracht sind, gibt es einen enormen Bedarf an Nahrung, Unterkünften, Gesundheits- sowie Wasser- und Sanitärversorgung.
August – im Jahr 2023 weltweit ausgebrochene Epidemien
Der Umgang mit zahlreichen Krankheitsausbrüchen in Ländern wie Jemen, Niger, Nigeria, Tschad, Kamerun oder DR Kongo ist 2023 ein Schwerpunkt unserer Arbeit. Hämorrhagisches Fieber, Masern, Cholera oder wieder auftretende Krankheiten wie z. B. Diphtherie: Die Bekämpfung von Epidemien macht mehr als die Hälfte unserer Notfalleinsätze aus. Dabei müssen nicht nur geeignete Behandlungseinrichtungen bereitgestellt werden, sondern es braucht auch umfassende Präventionsmassnahmen wie Impfungen und Aktivitäten im Bereich Wasser und Hygiene. Auch Advocacy-Massnahmen und innovative Ansätze spielen eine wichtige Rolle. Mehr dazu.
September – Angriffe auf medizinisches Personal und Einrichtungen
Auch dieses Jahr kommt es entgegen dem Völkerrecht zu gezielten Angriffen und Gewalt gegen medizinisches Personal und Gesundheitseinrichtungen. Etwa im Gazastreifen, wo im November zwei unserer Mitarbeitenden getötet werden, oder in der Ukraine, wo die WHO bis am 30. Mai bereits mehr als 1000 solcher Zwischenfälle verzeichnet hat. Doch auch in Burkina Faso, in Haiti, in der Zentralafrikanischen Republik oder im Südwesten Kameruns, wo wir unsere Aktivitäten einstellen müssen, wird die Gesundheitsversorgung zur Zielscheibe.
Oktober – Humanitäre Katastrophe in den besetzten palästinensischen Gebieten
Am 7. Oktober 2023 durchbrechen Kämpfer der Hamas den Grenzzaun zwischen dem Gazastreifen und Israel und töten mehr als 1200 Menschen. Seitdem ist der belagerte Gazastreifen unablässig schweren Bombenangriffen ausgesetzt; am 27. Oktober kam die Bodenoffensive der israelischen Streitkräfte dazu. Im besetzten Westjordanland werden so viele Palästinenser:innen wie noch nie von israelischen Streitkräften oder Siedler:innen getötet. Seit Beginn der Belagerung und der wahllosen Luftangriffe unterstützt Ärzte ohne Grenzen verschiedene Gesundheitseinrichtungen im Gazastreifen. Angriffe der israelischen Armee auf Spitäler, Kliniken, Ambulanzen oder medizinisches Personal sind mittlerweile an der Tagesordnung. Im November werden zwei Ärzte, die für unsere Organisation arbeiteten, bei einem Angriff auf das Al-Awda-Spital getötet, während sie sich um ihre Patient:innen kümmerten. Auch ein Evakuierungs-Konvoi und eine Klinik, beide eindeutig gekennzeichnet, geraten unter Beschuss. Dabei sterben drei Angehörige unserer Mitarbeitenden. Ärzte ohne Grenzen verurteilt diese Angriffe aufs Schärfste und leistet in den besetzten palästinensischen Gebieten trotz aller Schwierigkeiten weiterhin Hilfe. Mehr dazu.
November – Ärzte ohne Grenzen verurteilt unmenschliche Behandlung an den griechischen Seegrenzen
Anfang November veröffentlicht Ärzte ohne Grenzen einen Bericht, der sich auf die Aussagen von Betroffenen und die eigenen medizinischen Beobachtungen unserer Mitarbeitenden zwischen 2021 und 2023 stützt. Seit Beginn unserer Tätigkeiten zur Notversorgung der Neuankömmlinge auf den Inseln Samos und Lesbos vor zwei Jahren sammeln unsere Teams Berichte von Patient:innen. Diese zeugen von der lebensbedrohlichen Gewalt und den Pushbacks, denen die Betroffenen wiederholt ausgesetzt sind. Zwangsrückführungen widersprechen dem griechischen und europäischen Recht sowie dem internationalen Flüchtlingsrecht. Die Anwendung von Gewalt, willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen stellen schwerwiegende Verletzungen der Menschenrechte dar. Mehr dazu.
Dezember – Klimakrise ist eine humanitäre Krise: Unser Appell an der COP28
Ärzte ohne Grenzen arbeitet in einigen der vom Klimawandel am stärksten betroffenen Regionen der Welt. Dort leiden viele Menschen unter den Auswirkungen und brauchen deshalb unsere Hilfe. Hier einige Einsätze unserer Teams 2023 im Zusammenhang mit Naturkatastrophen: Zyklon Freddy in Madagaskar, Moçambique und Malawi, Erdbeben in der Türkei und Syrien, Überschwemmungen in Libyen, Erdbeben in Marokko und Zyklon Mocha in Myanmar. Vom 30. November bis zum 14. Dezember haben sich in Dubai internationale Staats- und Regierungschefs an der COP28 getroffen. Zum dritten Mal in Folge ist auch Ärzte ohne Grenzen dabei. Die Botschaft der Organisation ist klar: Die Klimakrise ist eine humanitäre und gesundheitliche Krise. Die Menschen in stark betroffenen Ländern müssen die Folgen ausbaden, obwohl sie das Problem nicht verursacht haben. Wir bitten politische Entscheidungsträger:innen dringend, konkrete Massnahmen zum Schutz der Gesundheit von Menschen zu ergreifen, die besonders unter dem Klimawandel leiden. Natürlich setzen wir auch bei uns an: 2023 haben wir in zahlreichen Projekten innovative Ansätze umgesetzt, bei denen Nachhaltigkeit und der Schutz des Klimas im Zentrum stehen. Etwa in Honduras, wo wir zur Bekämpfung des Arbovirus das Bakterium Wolbachia einsetzen. Mehr dazu.