Die elfte Ebola-Epidemie
© MSF/Franck Ngonga
Demokratische Republik Kongo4 Min.
Am 1. Juni 2020 wurde ein neuer Ausbruch des Ebola-Virus in der Provinz Äquator im Westen der Demokratischen Republik Kongo gemeldet. Das ist das elfte Mal, dass das Land von einer Ebola-Epidemie betroffen ist.
Während im Nordosten des Landes noch der zehnte Ebola-Ausbruch bekämpft wurde und wir uns mitten in der Covid-19-Pandemie befinden, hat dieser neue Ebola-Ausbruch bereits elf Bezirke innerhalb der Provinz erreicht. Die Region ist besonders schwer zu erreichen, zu manchen Dörfern besteht der einzige Zugang über den Fluss.
Auch wenn der Umgang mit dieser neuen Ebola-Epidemie nicht so sehr von Sicherheitsproblemen gekennzeichnet ist, wie das beim vorherigen Ausbruch im Nordosten zwischen August 2018 und Juni 2020 der Fall war, so stellt das Gebiet dennoch eine erhebliche logistische Herausforderung dar.
Die Provinz Äquator ist zweieinhalb Mal so gross wie die Schweiz, wobei einige Dörfer nur über Wasser mit Kanus oder nach stundenlangem Transport auf unbefestigten Strassen durch den Wald erreichbar sind. Humanitären Organisationen steht nur ein einziger Helikopter zur Verfügung, um sich in der Region zu bewegen.
«Um auf medizinische Nothilfeeinsätze reagieren zu können, verfügt das Notfallteam von Ärzte ohne Grenzen über ein Lager mit Fahrzeugen, Motorrädern und Aussenbordmotoren, die auf Booten oder Kanus installiert werden können», erklärt Mathias Dembo, Logistikkoordinator bei Ärzte ohne Grenzen. «Wir setzen diese Bestände je nach den Herausforderungen der Gebiete ein. Und in der Provinz Äquator sind die Herausforderungen gewaltig! Um zum Beispiel den Bezirk von Bolomba zu erreichen, musste unser gesamtes Team mitsamt Ausrüstung in Kanus den Fluss Likelemba hinauffahren.»
So nah wie möglich an den Hotspots sein
Nach der Meldung dieser elften Ebola-Epidemie in der Demokratischen Republik Kongo entsandte Ärzte ohne Grenzen Teams nach Bolomba, Bikoro, Monieka, Ingende und Lotombe, um die Ausbreitung der Krankheit einzudämmen, die lokale Gesundheitsüberwachung zu unterstützen und Patient*innen, die in schwer zugänglichen Gebieten leben, rasch zu behandeln.
«Die Epidemie wandert mit den Menschen auf dem Land- und Flussweg in entlegene Gebiete, in eine Provinz, in der es kaum Infrastruktur gibt und die Dörfer weit voneinander entfernt sind», erklärt Dr. Maria Mashako, unsere medizinische Koordinatorin. «Deshalb gehen wir dezentral vor und entsenden unsere Teams in die entlegensten, am stärksten betroffenen Gebiete. Wir nutzen kleine Einrichtungen, die für die dortigen Gemeinden leicht zugänglich sind.»
Seit dem 1. September unterstützen die Teams von Ärzte ohne Grenzen neun Behandlungs- und Isolationszentren in fünf Bezirken, wo sich die aktiven Hotspots befinden.
In Bolomba haben wir zusätzlich zur Unterstützung des Ebola-Behandlungszentrums im allgemeinen Spital zwei kleine Behandlungs- und Isolationszentren in den abgelegenen Ortschaften Boso Mondomba und Yuli eingerichtet. Auch in Monieka und Bikoro unterstützt Ärzte ohne Grenzen vier kleine Behandlungs- und Isolationszentren.
«Wir beschränken uns nicht auf die alleinige Bekämpfung der Ebola-Epidemie», sagt Dr. Mashako. «In den Hotspots und auf den Hauptachsen von Bolomba und Bikoro helfen wir auch, um die Grundversorgung aufrechtzuerhalten und die Früherkennung von Verdachtsfällen zu ermöglichen. Dies geschieht z.B. durch Medikamentenspenden, die Weiterbildung von einheimischem medizinischem Personal hinsichtlich Ebola oder die Verstärkung von Massnahmen zur Prävention und Eindämmung von Infektionen.»
Soziales Engagement ist entscheidend
In der Provinz zirkulieren nur wenige Informationen über Ebola, und einige Bezirke sind zum ersten Mal überhaupt von einer Ebola-Epidemie betroffen. Deshalb unterstützen wir die Aufklärungsmassnahmen des Gesundheitsministeriums, um das Bewusstsein innerhalb der Bevölkerung zu stärken. In Bolomba, Bikoro und Monieka ist dies eine der Hauptaktivitäten von Ärzte ohne Grenzen.
«Meine Tochter ist an Ebola gestorben. Zwei Tage später wurde auch ich ins Spital eingeliefert», sagt Samwengi Bokuma. «Ich hatte mehr Glück, ich habe überlebt. Um weitere Tragödien zu verhindern, schloss ich mich dem Einsatzteam von Ärzte ohne Grenzen an, um meine Geschichte mit meiner Gemeinde zu teilen und zu erklären, was die Symptome der Krankheit sind».
Ein MSF-Mitarbeiter überprüft seine persönliche Schutzausrüstung im Ebola-Zentrum von Bolomba. DR Kongo, 2. September 2020
«Dieser gemeinschaftliche Ansatz ermöglicht es den Gemeinden, Verdachtsfälle zu erkennen und Warnungen schnell weiterzugeben», erklärt Dr. Mashako. «Das gibt den Gemeinden ein Gefühl von Verantwortung und Kontrolle über die Reaktion auf die Epidemie.»
Diese Massnahmen werden durch ein Impfprogramm ergänzt, das auch von anderen Akteuren in der Epidemie-Bekämpfung unterstützt wird. Seit dem Beginn der Impfkampagne am 5. Juni 2020 haben nach offiziellen Zahlen etwa 26 500 Menschen den Impfstoff ZEBOV-GP (der bereits während des zehnten Ebola Ausbruchs in den nordöstlichen Provinzen eingesetzt worden war) erhalten.
Bis zum 2. September waren in der Provinz Äquator insgesamt 110 Ebola-Fälle registriert worden – 104 bestätigt, 6 wahrscheinlich – mit 47 Todesfällen. Die Provinz Äquator erlebte ihre letzte Ebola-Epidemie vor zwei Jahren, zwischen Mai und Juli 2018. Die Bezirke von Bikoro und Iboko sowie die Stadt Mbanda bildeten damals das Epizentrum des neunten Ebola-Ausbruchs in der Demokratischen Republik Kongo.
© MSF/Franck Ngonga