«Endlich, die Impfung ist da … aber bitte nicht für mich!»

Ein Mann bereitet eine Impfung vor, im Vordergrund sind die Spritze und der Impfstoff zu sehen.

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Von Françoise Duroch, PhD, Leiterin der Forschungsstelle für humanitäre Angelegenheiten bei Ärzte ohne Grenzen (UREPH)

Mit Beginn der ersten Impfkampagnen gegen Covid-19 machte in den sozialen Netzwerken der Spruch «Vivement la sortie d’un nouveau vaccin, qu’on puisse le refuser» die Runde, der sinngemäss so viel bedeutet wie «Hoffentlich kommt der neue Impfstoff bald ... aber bitte nicht für mich!». In den meisten europäischen Ländern besteht das Paradox, dass die Menschen einerseits wissenschaftlichen Fortschritt für das Gemeinwohl fordern und andererseits gegenüber der Gesundheitspolitik ihrer Regierungen seit Jahrzehnten skeptisch sind.

Gesundheitsimperialismus

Die Pasteur-Ära, die ihren Ursprung im 19. Jahrhundert hat, trug nicht nur wesentlich dazu bei, dass die Gesundheit zur Staatsangelegenheit wurde, sie ebnete ebenso den Weg für Anti-Impf-Bewegungen, die das Grundprinzip des Impfens, die Produktionsbedingungen von Impfstoffen oder auch die Art und Weise, dem Volk Impfungen zu verordnen, infrage stellen. Es gibt zahlreiche Streitpunkte, darunter die Verwendung aluminiumhaltiger Hilfsstoffe in bestimmten Impfstoffen, die Diskrepanz zwischen der Gesundheit der Bevölkerung und den Interessen der Pharmaindustrie oder auch die vermeintlich korrupten Entscheidungsträger, die sich in den Dienst der Labore stellen.

Die verordnete Durchführung von Massenimpfungen blieb dabei nicht auf Europa beschränkt, auch in Afrika kam es Mitte der 1940er Jahre zu solchen Massnahmen. So ist die Verabreichung von zehn Millionen Dosen des Antibiotikums Pentamidin für die präventive Behandlung der Schlafkrankheit – die sich als ebenso unnötig wie gefährlich entpuppte – ein Beispiel nicht nur für die Irrationalität der damaligen Kolonialpolitik, sondern auch für den blinden Glauben an den wissenschaftlichen Fortschritt. Es stand somit symbolhaft für eine staatliche Gesundheitspolitik, deren Ziele weit von dem entfernt schienen, was man das Allgemeinwohl nennen würde. 

Eine Frage des Vertrauens

1953 gab in Grossbritannien die Inokulation eines ersten Serums, das gegen Pocken schützen konnte, Anlass zu einer Reihe von Protesten, wonach dies ein Angriff auf die persönliche Freiheit darstelle. Gegenwärtig sieht man in Europa, dass die Einhaltung der in den verschiedenen Ländern ergriffenen Covid-19-Eindämmungsmassnahmen nach wie vor stark vom Vertrauen abhängt, das die Bevölkerung ihrer jeweiligen Regierung entgegenbringt, und dieses ist leider in vielen Ländern bereits seit längerem angeschlagen. Der blinde Glaube an eine Forschung, die dem Schutz der Gesundheit einer grösstmöglichen Anzahl von Menschen dienen soll, prallt auf eine Welt mit profitgetriebenen Pharmaunternehmen, in der das Gesundheitssystem von einigen Regierungen sogar dazu instrumentalisiert wird, persönliche Freiheit einzuschränken oder gesellschaftliche Unzufriedenheit zu unterdrücken.

Zugang, Gleichberechtigung, Transparenz

Wenn es etwas gibt, über das unter den Bürgerinnen und Bürgern grundsätzlich Konsens bestehen sollte, dann ist es der Zugang zu diesen Therapien. Schliesslich wurden einige Forschungsprojekte grösstenteils mit öffentlichen Geldern finanziert. So sollten zum Beispiel die genauen Vereinbarungen der Labore bezüglich der Verwendung und der Patentierung der Covid-Impfstoffe offengelegt und öffentlich diskutiert werden. Ganz gleich, ob man von der Richtigkeit dieser Impfung nun überzeugt ist, das Pandemie-Management der Regierungen infrage stellt oder den Herstellungsbedingungen der Impfstoffe kritisch gegenübersteht: Es konkurrierenden Wirtschaftsmächten zu überlassen, die Gesundheit einer grösstmöglichen Anzahl von Menschen zu schützen, ist nicht die Lösung. Nicht zuletzt, weil am Grundprinzip des Impfens als bedeutende medizinische Errungenschaft in der Geschichte der Menschheit keinesfalls zu rütteln ist.