Erdbeben in der Türkei und in Syrien: Unsere Nothilfe
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Nach den Erdbeben im Süden der Türkei und im Norden Syriens arbeiten die Teams von Ärzte ohne Grenzen / Médecins Sans Frontières (MSF), die in der Region bereits vor dem Beben im Einsatz waren, Seite an Seite mit den lokalen Gesundheitseinrichtungen, um der betroffenen Bevölkerung medizinische Hilfe zu leisten. Nach heutigen Angaben sind 21'000 Menschen ums Leben gekommen. Die Zahl der Todesopfer steigt in Syrien und in der Türkei weiter an. Leider wurde inzwischen ein zweites Mitglied des MSF-Personals tot aus den Trümmern seines Hauses geborgen.
Die Erdstösse, die bis nach Zypern spürbar waren, haben im Nordwesten Syriens verheerende Zerstörungen angerichtet. In dieser dicht besiedelten Region besteht ein Grossteil der Bevölkerung aus Kriegsvertriebenen, die bereits vorher unter prekären Bedingungen lebten.
Unsere Teams arbeiten bereits seit mehreren Jahren in der Region. Sie betreiben allgemeinmedizinische oder spezialisierte Spitäler, sind mit mobilen Kliniken in rund hundert Vertriebenencamps im Einsatz und unterstützen Dutzende lokale Gesundheitszentren. Die Folgen der Beben verschärfen eine ohnehin schon alarmierende humanitäre Lage.
Zahlreiche Spitäler wurden beschädigt, viele sind nicht mehr in der Lage, Patient:innen aufzunehmen. Dies ist auch in Jandaris im syrischen Gouvernement Aleppo der Fall: Aufgrund der Einsturzgefahr mussten zwei von Ärzte ohne Grenzen unterstützte Geburtskliniken evakuiert werden. In den ersten Stunden nach der Katastrophe versorgten unsere Teams über 200 Verwundete. Die von der Organisation in den Gouvernements Aleppo und Idlib unterstützten Gesundheitszentren nahmen 3465 Verletzte auf.
Unsere Teams setzten den Hilfseinsatz sofort gemäss Notfallplan um. Sie unterstützen die Spitäler in den Städten Idlib und Aleppo mit Notfallsets, unfallmedizinischem und chirurgischem Material und der Entsendung von Schulungspersonal. Ausserdem wurden die Aufnahme- und Behandlungskapazitäten unserer Spitäler durch den Aufbau zusätzlicher Sanitätszelte aufgestockt, so zum Beispiel in unserem Spital in Atmeh, das normalerweise auf Brandwunden spezialisiert ist. Zudem haben unsere Teams über 23 Gesundheitszentren im Norden von Idlib mit medizinischer Ausrüstung und Notfallsets beliefert und damit begonnen, an den Einsatzorten psychologische erste Hilfe anzubieten.
Im Gouvernement Idlib haben wir im Aufnahmezentrum Kelly eine mobile Klinik eröffnet und helfen bei den Krankentransporten, damit Menschen, die dringend eine Behandlung brauchen, schnell transportiert werden können. Die Soforthilfe für die Betroffenen der Erdbeben, insbesondere jener, die draussen in der Kälte ausharren, ist eine Priorität für unsere Teams. Die Bevölkerung im Nordwesten Syriens braucht Unterkünfte, Lebensmittel, Decken, Kleidung, Heizungsmaterial, Hygieneartikel und medizinische Versorgung. Es fehlt ausserdem an Treibstoff und Strom, und der Zugang zu Wasser und sanitären Anlagen ist unzureichend.
Darüber hinaus ist die langfristige Versorgung dieser von der Aussenwelt abgeschnittenen Region eine der grössten Herausforderungen dieses Einsatzes. Unsere Teams bedienen sich bereits der vor Ort verfügbaren Notreserven, doch es braucht bald neue Lieferungen, um den Bestand aufzufüllen. Der einzige Zugangspunkt zum Nordwesten Syriens über die Türkei ist der Grenzübergang von Bab Al-Hawa ‒ und die dorthin führenden Strassen wurden beschädigt. Die Sicherung dieses Zugangs ist deshalb entscheidend, um die humanitäre Hilfe in dieser Region aufrechterhalten zu können.
Neben der medizinischen Notversorgung ist ein weiteres zentrales Thema der Zugang zu psychologischer Hilfe. Viele Menschen haben Familienmitglieder verloren und stehen nun vor den Trümmern der Häuser, in denen sie lebten. Aufgrund des langjährigen Krieges, der wirtschaftlichen Situation, der Covid-19-Pandemie und einer jüngst grassierenden Cholera-Epidemie war die humanitäre Lage in diesem Teil Syriens bereits vorher prekär. Das Gesundheitssystem stand schon auf wackeligen Beinen und diese Erdbeben verschlimmern die Lage noch erheblich.
In der Türkei werden Schulen zu Unterkünften umfunktioniert und mobile Teams sind zur Sammlung von Blutspenden im Einsatz. Es wurde die Warnstufe 4 und in den zehn am stärksten betroffenen Provinzen ein dreimonatiger Notstand ausgerufen. Gemeinsam mit dem Internationalen Blauen Kreuz (IBC) ermitteln unsere Notfallteams den Bedarf in den am stärksten betroffenen Gebieten im Süden der Türkei. In Hatay, Gaziantep und Diyarbakir scheint die Zerstörung besonders verheerend zu sein. Aufgrund der massiven Häusereinstürze ist Hatay derzeit Sperrzone. Die Versorgung wird in den Randgebieten der Stadt sichergestellt.
Ärzte ohne Grenzen ist bereit, auch der Türkei medizinische Nothilfe zu leisten, obwohl die Organisation vor den Erdbeben nicht in dem Land tätig war. Dazu laufen aktuell Gespräche mit den lokalen Behörden und Partnerorganisationen.
Unsere Einsätze in Syrien
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