Zwei Monate nach ihrer Flucht vor Gewalt warten über 33 000 Vertriebene im Bezirk Twic noch immer auf humanitäre Hilfe

Hunderte von Vertriebenen sitzen unter einem Baum.

Südsudan3 Min.

Vor über zwei Monaten sind zehntausende Menschen in den südsudanesischen Bezirk Twic geflohen. Nun fehlt es ihnen laut Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) noch immer an grundlegenden Gütern. Trotz der wiederholten Hilfsappelle hat die humanitäre Gemeinschaft die Hilfe im Südsudan nicht aufgestockt. Der Bedarf an Lebensmitteln, sauberem Wasser und sanitären Anlagen ist gross.

Nachdem es Anfang Februar in Agok und Umgebung (in der Sonderverwaltungszone Abyei, ASAA) zu gewaltsamen Zusammenstössen gekommen war, machten sich zahlreiche Menschen in nördliche Richtung nach Abyei Stadt und in südliche Richtung in den Bezirk Twic im Bundesstaat Warrap auf. 

Die Lage ist furchtbar. Die Menschen leben in Verschlägen aus Ästen und Tüchern.

Susana Borges, MSF-Einsatzleiterin im Südsudan

«Der Mangel an Nahrungsmitteln ist so gross, dass die Eltern Blätter von den Bäumen sammeln, um sie zu kochen und ihren Kindern zum Essen zu geben. Wir tun unser Bestes, aber es braucht mehr Hilfe auch von anderer Seite, um diese Krise zu stemmen», sagt Susana Borges, Einsatzleiterin von Ärzte ohne Grenzen im Südsudan. 

Wir sind an sechs Standorten im Bezirk Twic im Einsatz. Rund 33 000 Vertriebene haben sich dort niedergelassen, darunter mehrheitlich Frauen und Kinder. Die meisten schlafen unter freiem Himmel, und es fehlt ihnen an grundlegenden Gütern wie Unterkünften, Lebensmitteln und sauberem Wasser. 

Trotz der grossen Not ist eine rasche und angemessene Hilfe vonseiten humanitärer Organisationen bisher noch ausgeblieben, was dazu geführt hat, dass die Lebensbedingungen in den Vertriebenenlagern verheerend sind. In den vergangenen zwei Monaten haben wir rund 374,2 Tonnen Lebensmittel an die verschiedenen Einsatzorte befördert und die Vertriebenen pro Kopf und Tag mit durchschnittlich 14,5 Liter sauberem Wasser versorgt. Auch haben wir über 135 Latrinen gebaut und Hilfsgüter wie Decken, Moskitonetze, Kanister und Seife an etwa 10 000 Familien verteilt. 

An drei Standorten haben unsere Teams mobile Kliniken eingerichtet. Die katastrophalen Lebensbedingungen und der begrenzte Zugang zu Lebensmitteln beeinträchtigen den Gesundheitszustand der Patient:innen in unseren Spitälern. Weil Unterkünfte, sanitäre Einrichtungen und Moskitonetze fehlen, sind die Menschen anfällig für Krankheiten wie Malaria und Cholera. Die Regenzeit steht kurz bevor, und die gesundheitliche Lage der Bevölkerung wird sich wohl noch weiter verschlechtern, wenn die humanitäre Hilfe nicht sofort hochgefahren wird.

Atem Mabot, seine Frau und ihre zwei Kinder.

Atem Mabot, seine Frau und ihre zwei Kinder.

© Verity Kowal/MSF

Bald setzt der Regen ein, und viele Vertriebene haben kleine Kinder. Wenn es jetzt anfängt zu regnen, haben wir kein Dach über dem Kopf.

Atem, der mit seinen zwei kleinen Kindern aus Agok in das Vertriebenenlager von Gomgoi geflohen ist

«Das Leid der Menschen hier ist gross. Sie benötigen dringend Unterkünfte und Lebensmittel.»

Eine Rückkehr der Menschen in ihre Heimat ist in absehbarer Zeit aufgrund der drohenden Gewalt wohl auszuschliessen. «Ich habe gesehen, wie auf unschuldige Menschen – Menschen wie du und ich – geschossen wurde. Mein Haus und mein Laden wurden geplündert», berichtet Atem. «Wie kann ich da auch nur daran denken, wieder nach Hause zu gehen? Besser leide ich hier.» 

In den kommenden Monaten benötigen die Menschen dringend und fortlaufend Unterstützung, damit sie menschenwürdig untergebracht und mit ausreichend Lebensmitteln und Trinkwasser versorgt werden können. Ein nachhaltiger humanitärer Einsatz ist nötig, damit den Vertriebenen nach Monaten der Vernachlässigung endlich geholfen wird. 

Ärzte ohne Grenzen ist seit 2006 in Agok im Einsatz, wo sie 2008 ein Spital eröffnete. Rund 140 000 Menschen erhielten dort medizinische Versorgung. Nach den ersten gewaltsamen Auseinandersetzungen vom 10. Februar 2022 unterbrach Ärzte ohne Grenzen ihre Arbeit im Spital, um den Menschen, die in den Bezirk Twic und nach Abyei Stadt geflohen sind, medizinische und humanitäre Hilfe zu leisten.