10 Jahre nach dem Erdbeben auf Haiti: Gesundheitssystem erneut am Rand des Zusammenbruchs
© Leonora Baumann
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Zehn Jahre nach dem verheerenden Erdbeben auf Haiti hat sich die medizinische Versorgung der Menschen erneut massiv verschlechtert. Das ist das Ergebnis eines Berichts, den die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen heute veröffentlicht hat.
Der Bericht «Haiti Ten Years On» beschreibt die enormen Herausforderungen für haitianische Gesundheitseinrichtungen, die medizinische Versorgung aufrechtzuerhalten. Seit dem Benzinpreisanstieg im Juli 2018, der die aktuelle Krise ausgelöst hat, kämpft das haitianische Gesundheitssystem mit einem Mangel an Medikamenten, Blutkonserven, Sauerstoff für medizinische Zwecke, Benzin sowie mit fehlendem medizinischen Personal. Im Jahr 2019 kam es zu mehrmonatigen landesweiten Blockaden. Strassen wurden von Barrikaden aus brennenden Reifen, Kabeln und sogar über Nacht errichteten Mauern blockiert, so dass Krankenwagen, Patientinnen und Patienten, Gesundheitspersonal und Transporte mit medizinischen Hilfsgütern behindert wurden.
«Das verheerende Erdbeben von 2010 hat Tausende Haitianerinnen und Haitianer getötet, Millionen obdachlos gemacht und 60 Prozent des schon zuvor schwachen Gesundheitssystems zerstört», sagt Hassan Issa, Landeskoordinator von Ärzte ohne Grenzen.
Zehn Jahre später haben die meisten medizinischen Organisationen das Land wieder verlassen und Haitis Gesundheitssystem steht angesichts der eskalierenden politischen und wirtschaftlichen Krise erneut vor dem Kollaps.
«Der Alltag wird für die meisten Haitianer durch die steigende Inflation, die prekäre Wirtschaftslage und regelmässige Gewalt immer schwieriger zu bewältigen», fährt Issa fort.
Ärzte ohne Grenzen hat auf Grund der Krise im November ein Unfallspital mit 50 Betten im Stadtteil Tabarre in Port-au-Prince eröffnet. Schon in den ersten fünf Wochen kamen 574 Patienten in die Klinik, darunter 150 Menschen mit lebensgefährlichen Verletzungen. 57 Prozent der Schwerverletzten hatten Schusswunden. Ausserdem hat die Organisation staatlichen Gesundheitseinrichtungen medizinische Ausrüstung und Material zur Verfügung gestellt, das Personal der wichtigsten öffentlichen Klinik von Port-au-Prince ausgebildet, Gebäude instandgesetzt und elf medizinische Einrichtungen im ganzen Land unterstützt.
Viele Patienten mit gewaltbedingten Verletzungen
Im Jahr 2019 hat die Notfallklinik von Ärzte ohne Grenzen in Martissant in der Hauptstadt Port-au-Prince durchschnittlich 2450 Patienten pro Monat behandelt. Zehn Prozent von ihnen hatten Schusswunden und andere gewaltbedingte Verletzungen. Ein weiteres Spital von Ärzte ohne Grenzen zur Behandlung von Verbrennungen im Osten der Stadt verzeichnete im September einen Höhepunkt mit insgesamt 141 Patienten. Auch in ländlichen Gebieten sind die Auswirkungen der Krise enorm. Das Hauptspital und die Blutbank des Departements Süd wurden im Oktober geschlossen, nachdem sie geplündert worden waren, und sind noch immer nicht voll funktionsfähig. In einem Gesundheitszentrum in der Gemeinde Port-à-Piment im Südwesten des Landes, in dem Ärzte ohne Grenzen seit langem medizinische Versorgung für Mütter anbietet, dauert es selbst für Patientinnen in Lebensgefahr bis zu fünf Stunden, bis sie an ein Spital überwiesen werden.
Am 12. Januar 2010 hatte ein Erdbeben der Stärke 7,0 Haiti erschüttert. An diesem Tag starben auch zwölf Mitarbeitende von Ärzte ohne Grenzen. In den folgenden Jahren hat die Organisation einen der grössten Hilfseinsätze ihrer Geschichte gestartet. Innerhalb von weniger als zehn Monaten wurden mehr als 350 000 vom Erdbeben betroffene Menschen medizinisch behandelt. Die Organisation leistet seit 1991 medizinische Hilfe in Haiti.
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