Gemeinsamer Appell: Hilfsorganisationen fordern Ende der Festsetzung von Schutzsuchenden auf griechischen Inseln

3 staffs MSF accueillent des patients qui font la queue sous une tente.

Griechenland3 Min.

Zahlreiche Hilfsorganisationen fordern in einem gemeinsamen Appell einen sofortigen politischen Kurswechsel im Umgang mit Schutzsuchenden auf den griechischen Inseln. Auch einen Monat nach dem Grossbrand im Geflüchtetenlager Moria sitzen mehr als 7 500 Menschen unter unmenschlichen Bedingungen in dem neu errichteten Lager auf der Insel Lesbos fest. Eine Tatsache, die in Widerspruch zu den Versprechungen der Kommissare der Europäischen Union steht, dass es ein «zweites Moria» nicht geben werde. Tausende weitere Menschen, darunter 7 000 Kinder, leben darüber hinaus unter völlig unzureichenden Bedingungen in ähnlichen Lagern auf Inseln in der Ägäis.

«Genug ist genug! Wir bekräftigen unsere Forderung, diese Menschen in sichere und menschenwürdige Unterkünfte zu bringen. Auch andere europäische Staaten müssen die Schutzsuchenden aufnehmen, um die Situation auf den griechischen Inseln zu entlasten. Wir appellieren an die Mitgliedsländer der Europäischen Union und ihre führenden Politikerinnen und Politiker, die Abschottungspolitik auf den griechischen Inseln zu beenden und die Pläne zu verwerfen, sich an den Aussengrenzen noch weiter zu verschanzen», heisst es in der Stellungnahme.

«Die Zustände in dem neuen Lager erinnern uns stark an Moria. Unsere Patienten erzählen uns, dass ihre Situation dort sogar noch schlechter ist», sagt Marco Sandrone, Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen auf Lesbos. «Bewohner sagen, dass einige Zelte keinen Boden haben und sie auf Fels und Staub auf dem Boden schlafen, dass viele Familien ihr Zelt mit anderen Familien teilen müssen und dass es nur 345 Toiletten gibt. Wir wissen von mindestens 206 Personen, die zur Hochrisikogruppe für Covid-19 gehören. 87 unserer Patienten auf Lesbos müssen aus medizinischen Gründen dringend evakuiert werden, weil sie eine Spezialbehandlung benötigen, die es auf Lesbos nicht gibt. Darunter sind 31 Kinder und 56 Opfer von Folter, sexueller Gewalt und Misshandlung. Wir fordern erneut den sofortigen Transfer aller Asylsuchenden auf den griechischen Inseln in sichere Unterkünfte auf dem Festland oder in anderen EU-Staaten.»

Das Lager wurde in kürzester Zeit auf dem Gelände eines ehemaligen Schiessstandes des Militärs errichtet. Es liegt direkt an der Küste und ist allen Elementen ausgeliefert. Zudem naht der Winter und das Camp wird den kommenden Regenfällen und Stürmen nicht standhalten. All dies geschieht während einer Pandemie, in der es für die Bewohnerinnen und Bewohner dieser Lager unmöglich ist, sich zu schützen.

Auch die Asylsuchenden, die in den anderen überfüllten EU-Hotspots auf Samos, Chios, Kos und Leros festsitzen, leben unter menschenunwürdigen Bedingungen. Auf Kos werden Neuankömmlinge seit Januar automatisch eingesperrt. Im Hotspot auf Samos leben 4 314 Menschen in einem Lager für lediglich 648 Personen. Mehr als 90 von ihnen sind positiv auf Covid-19 getestet worden, doch es gibt keinerlei angemessene medizinische Reaktion darauf.

De facto wird die Abschottungspolitik, die diese widerkehrenden Notsituationen in den vergangenen fünf Jahren verursacht hat, einfach fortgesetzt. Der EU-Migrationspakt verschärft die Politik, die auf den griechischen Inseln jahrelanges menschliches Leid erzeugt hat, sogar noch. Er führt den gescheiterten Ansatz der EU-Hotspots auf den griechischen Inseln fort, weitet Grenzverfahren aus und setzt offen auf Abschreckung und Abschiebung statt auf menschenwürdige Aufnahme und Schutz.

 

Diese Stellungnahme ist eine Initiative von Europe Must Act, Help Refugees, Legal Centre Lesvos, Lesvos Solidarity, Ärzte ohne Grenzen, Refugee Rights Europe und Still I Rise. Die gemeinsame Petition haben bislang 450 Organisationen, Netzwerke und Gruppen sowie 165 000 weitere Personen unterzeichnet.

Seit den Bränden, die das Lager Moria zerstört haben, sind mehrere Petitionen initiiert worden, die ähnliche Forderungen wiederholen (u.a. von SeeBrücke und Amnesty International). Zusammen haben sie Hunderttausende von Unterschriften gesammelt.