Haiti: Wir verurteilen gewaltsamen Angriff bewaffneter Männer auf das Spital in Tabarre aufs Schärfste
© Pierre Fromentin/MSF
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In der Nacht vom 6. auf den 7. Juli sind etwa 20 bewaffnete Männer in das Spital von Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) in Tabarre in der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince eingedrungen. Daraufhin nahmen sie einen Patienten mit Schussverletzung, der sich noch im Operationssaal befand, gewaltsam mit. Wir verurteilen diesen Überfall aufs Schärfste. Einmal mehr wird das Ausmass der Gewalt in Port-au-Prince deutlich. Wir sehen uns gezwungen, die Arbeit mit traumatisierten Menschen und Patient:innen mit Verbrennungen auf der Verbrennungs-Abteilung im Spital von Tabarre einzustellen.
Derzeit sind alle Aktivitäten im Spital eingestellt!
Am Abend des 6. Juli traf ein Patient mit einer Schussverletzung am Spitaleingang ein. Seine Verletzungen waren schwer und er wurde sofort aufgenommen. Während er sich im Operationssaal befand, kamen zwei Männer ins Spital, die einen lebensbedrohlichen Notfall vortäuschten. Daraufhin wurde das Eingangstor geöffnet, und rund 20 bewaffnete und vermummte Männer drangen gewaltsam in das Spital ein und suchten den Mann mit der Schussverletzung, dessen Zustand sich noch nicht stabilisiert hatte. Unter Gewaltanwendung zerrten sie ihn mit.
In Port-au-Prince herrscht ein Klima der Gewalt und eine völlige Missachtung menschlichen Lebens. Selbst Bedürftige, Kranke oder Verletzte werden nicht verschont. Wie sollen wir als Pflegekräfte in diesem Umfeld weiterhin medizinische Hilfe leisten können?
«Erstmal müssen wir verstehen, was genau geschehen ist. Unsere Mitarbeitenden wurden angegriffen und mit dem Tod bedroht. Sie brauchen jetzt eine Atempause. Deshalb haben wir beschlossen, unsere Aktivitäten vorerst einzustellen. Im Hinblick auf eine mögliche Wiederaufnahme des Projektes werden die Sicherheitsbedingungen genau geprüft», sagt Mahaman Bachard Iro, der unsere Aktivitäten in Haiti leitet.
Immer wieder ist es in der Vergangenheit zu gewaltsamen Vorfällen gekommen. Die bewaffneten Parteien bedrohen die Sicherheit der medizinischen Teams und stellen die Präsenz und Arbeitsweise von uns in Port-au-Prince in Frage. Das medizinische Personal, das täglich darum kämpft, Leben zu retten, ist schockiert über die Gewalt und die Missachtung, die die bewaffneten Gruppen ihnen entgegenbringen. Unsere Teams mussten im April 2022 bereits das Spital in Drouillard vorübergehend schliessen. Im Juni 2021 wurde der Betrieb des Notfallzentrums in Martissant endgültig eingestellt. Und im Januar 2023 setzten die Teams ihre Aktivitäten im Spital Raoul Pierre Louis in Carrefour aus Sicherheitsgründen aus.
Wir fordern die verschiedenen Konfliktparteien erneut dazu auf, medizinische Einrichtungen zu respektieren. Wir stehen der haitianischen Bevölkerung weiterhin entschlossen zur Seite. Die Menschen dort sind die ersten Leidtragenden der schweren Verschlechterung der Sicherheitslage, die sich im Land seit einigen Jahren so deutlich abzeichnet. Wir unterstützen neben dem Spital in Tabarre auch andere medizinische Einrichtungen in Haiti.
Im Jahr 2022 haben die Teams von Ärzte ohne Grenzen in Haiti in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium mehr als 4600 chirurgische Eingriffe und 34 200 Notfallkonsultationen durchgeführt, 2600 Schussverletzte und 370 Brandverletzte behandelt und 17 800 Patient:innen in mobilen Kliniken versorgt. Ausserdem behandelten sie 2300 Menschen, die sexualisierte Gewalt erlebt haben und begleiteten 700 Geburten.
© Pierre Fromentin/MSF