Offener Brief an Bundesrat Ignazio Cassis

MSF Gaza Stop Now

Palästinensische Autonomiegebiete3 Min.

Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) richtet einen offenen Brief an Bundesrat Ignazio Cassis, Vorsteher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA).

Sehr geehrter Herr Bundesrat

«Wir haben getan, was wir konnten. Erinnert euch an uns.» Diese Worte schrieb ein Arzt von Ärzte ohne Grenzen in einem Spital in Gaza auf ein Whiteboard, das normalerweise zur Planung der chirurgischen Eingriffe dient. Als Arzt können Sie sich vorstellen, was in ihm vorgehen muss, während er unter Einsatz seines Lebens hilflos zuschauen muss, wie Verletzte und Kranke leiden, weil kein medizinisches Material zur Verfügung steht und die Gesundheitseinrichtungen zerstört sind. 

Im Namen von Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) bitte ich hiermit die Schweizer Regierung inständig, weiterhin alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um einen nachhaltigen Waffenstillstand im Gazastreifen zu erzielen. Ärzte können keine Bomben stoppen. Der Gewalt muss ein Ende gesetzt werden, damit nicht noch mehr Menschen sterben und um dringend benötigte humanitäre Hilfe zu ermöglichen. Wir von Ärzte ohne Grenzen wollen diese Hilfe leisten und unsere Tätigkeiten ausbauen, sobald die Umstände dies zulassen. 

Wir anerkennen, dass sich die Schweiz für den Schutz der Zivilbevölkerung und medizinischer Einrichtungen einsetzt und die Forderung nach einem dauerhaften Waffenstillstand unterstützt. Dennoch möchte ich Ihnen gerne die Frage stellen, die uns und unsere Mitarbeitenden derzeit täglich umtreibt: Tun wir wirklich alles, was wir können, um diesem Blutvergiessen und unerträglichen Leiden ein Ende zu setzen?

Auch wir waren, wie so viele Menschen in der Schweiz, schockiert und empört über die brutalen Angriffe der Hamas auf israelische Zivilpersonen. Inzwischen sind es die Angriffe der israelischen Armee auf zivile Personen und Einrichtungen in Gaza, darunter auch Spitäler, die uns entsetzen.

Der Norden des Gazastreifens steht kurz davor, von der Landkarte zu verschwinden. Das Gesundheitssystem ist komplett zusammengebrochen und Zehntausende Menschen wurden verletzt. Gemäss Angaben der Gesundheitsbehörden in Gaza sind bereits mehr als 14 000 Menschen, über die Hälfte von ihnen Kinder, getötet worden. Familien müssen die Leichen ihrer Angehörigen aus den Trümmern bergen. Die Vereinten Nationen schätzen, dass mindestens 1,7 Millionen Zivilpersonen vertrieben wurden. Sie haben keine andere Wahl, als in den Süden zu flüchten, der ebenfalls bombardiert wird. Derzeit gibt es keinen sicheren Ort im Gazastreifen.

Wir sind aber nicht nur Zeugen des Leids der palästinensischen Bevölkerung. Ärzte ohne Grenzen trauert selbst um drei Kollegen sowie Familienangehörige weiterer Mitarbeitenden: Am 21. November wurden der 3. und 4. Stock des Al-Awda-Spitals getroffen, wo sich unsere Abteilung für rekonstruktive Chirurgie befindet. Zwei unserer Ärzte kamen beim Angriff ums Leben. Zudem wurden mehrere Menschen, die im Spital behandelt wurden, sowie Pflegefachpersonen verletzt. Ein weiterer MSF-Mitarbeitender, der als Labortechniker für uns tätig war, wurde bei der Bombardierung seines Wohngebäudes getötet. 

In Khan Younis in Süd-Gaza war unser Notfallteam nach intensiven Luftangriffen mit einem massiven Zustrom von Verletzten konfrontiert. Die Angriffe trafen auch überfüllte Geflüchtetencamps, wo die Menschen unter schwierigen Bedingungen kaum von der spärlich verfügbaren humanitären Hilfe überleben können. Wenn die Bomben sie nicht töten, schwächen Infektionskrankheiten und Nahrungsmangel die Menschen weiter.

Unsere medizinischen Teams berichten zudem von Angriffen auf die Gesundheitsversorgung im Westjordanland, wo Gewalt, Unterdrückung und Einschüchterungen zunehmen. Laut den Vereinten Nationen wurden dort seit dem 7. Oktober mehr als 200 Palästinenserinnen und Palästinenser getötet, entweder durch die israelische Armee oder von Zivilpersonen. 

Unsere medizinischen Teams berichten zudem von Angriffen auf die Gesundheitsversorgung im Westjordanland, wo Gewalt, Unterdrückung und Einschüchterungen zunehmen. Laut den Vereinten Nationen wurden dort seit dem 7. Oktober mehr als 200 Palästinenserinnen und Palästinenser getötet, entweder durch die israelische Armee oder von Zivilpersonen. 

Wir hoffen, dass die Schweizer Regierung alles tun wird, was in Ihrer Macht steht, um dieses Drama zu beenden – aus Menschlichkeit und um möglichst viele Leben zu retten.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und verbleibe mit freundlichen Grüssen

Reveka Papadopoulou
Präsidentin von Ärzte ohne Grenzen Schweiz

MSF Gaza Stop Now
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