Syrien: Türkische Militäroffensive führt zu Vertreibungen und Spitalschliessung

Spital in Tall Abyad, November 2017

Syrien2 Min.

Am 9. Oktober hat die Türkei die Militäroffensive gegen Kurdenmilizen gestartet. Die medizinisch-humanitäre Organisation Ärzte ohne Grenzen/ Médecins Sans Frontières (MSF) ist besorgt über das Schicksal der Zivilbevölkerung im Nordosten Syriens.

In den vergangenen 24 Stunden wurden Städte und Dörfer, die an der Grenze zur Türkei liegen, Opfer von heftigen Bombenangriffen. Die Offensive löste die Flucht vieler Menschen aus, die Schutz und Sicherheit suchen.

«Diese Situation wird das Trauma weiter verschlimmern, welches Syrerinnen und Syrer durch den jahrelangen Krieg und dem Leben unter prekären Bedingungen erlitten haben», sagt Robert Onus, der in Syrien stationierte Notfall-Einsatzleiter von MSF. «Das Gesundheitssystem hatte schon vorher Schwierigkeiten, die gesundheitlichen Bedürfnisse der Bevölkerung zu decken. Die Vertreibungen und Verletzungen, die aus den Kämpfen resultieren, werden die ohnehin bereits begrenzten Ressourcen der Spitäler zusätzlich belasten.»

Auch medizinische Fachkräfte sind geflüchtet

In der Stadt Tall Abyad im syrischen Gouvernement ar-Raqqa, die an der Grenze zu Türkei liegt, haben die Bombardierungen einen Grossteil der Bevölkerung zur Flucht gezwungen. Das von Ärzte ohne Grenzen unterstütze Spital in Tall Abyad ist nun geschlossen, da der Grossteil der medizinischen Fachkräfte die Stadt mit ihren Familien verlassen haben. Die MSF-Teams lagern ihre medizinischen Aktivitäten nun in andere Teile der Region aus, um dort den gesundheitlichen Bedarf zu decken. Als einziges öffentliches Spital in der Region war die Einrichtung in Tall Abyad entscheidend für die Gesundheitsversorgung der Stadt und ihrer Umgebung.

Unsere Mitarbeitenden in Tall Abyad konnten zusehen, wie aus der einst lebhaften Stadt eine Geisterstadt wurde. Auf der Suche nach Sicherheit war das syrische Volk nach acht Jahren Krieg einmal mehr dazu gezwungen, seine Häuser und Besitztümer zu verlassen.

Robert Onus, MSF-Einsatzleiter in Syrien

In Tell Tamer, einer kleinen Stadt im westlichen Teil des Gouvernements al-Hasakah, trafen unsere Teams auf fast 2 000 Menschen, die aus Ras Al-Ain vertrieben wurden. Ärzte ohne Grenzen verteilt in Tell Tamer Hilfsgüter an Menschen, die in Schulen, Bürogebäuden, Geschäften und in den Häusern von Verwandten und besorgten Bewohnern der Stadt Zuflucht suchen.

Die Organisation ist besorgt über die Lage von vielen tausenden Frauen und Kindern, die in Lagern wie Al Hol und Ain Issa leben. Die jüngsten Entwicklungen haben humanitäre Organisationen gezwungen, ihre Aktivitäten auszusetzen oder einzuschränken. Dadurch sind diese Menschen nun noch schutzloser und müssen ohne Zugang zu humanitärer Hilfe zurechtkommen.

Zivilbevölkerung muss überall Zugang zu lebensrettender humanitärer Hilfe haben

Um die wachsenden humanitären Bedürfnisse zu decken, versuchen die Teams von Ärzte ohne Grenzen weiterhin medizinische und sonstige Hilfe zu leisten. Die Organisation ist weiterhin in ganz Nordostsyrien präsent.

Ärzte ohne Grenzen fordert alle Kriegsparteien im Nordosten Syriens auf, den Schutz der Zivilbevölkerung, einschliesslich des Gesundheitspersonals und deren Patientinnen und Patienten, zu gewährleisten. Kriegsparteien müssen die ungehinderte Bereitstellung lebensrettender humanitärer Hilfe und medizinischer Versorgung überall in der Region ermöglichen.