Mangelernährung – vielfältige Ursachen / ein komplexer Kampf
Mangelernährung kann viele Ursachen haben. Sowohl eine unzureichende Nahrungsversorgung als auch eine mangelhafte Verwertung von Nährstoffen wie Proteinen, Vitaminen und Mineralstoffen können die Krankheit verursachen. Der Körper erhält nicht genügend Energie oder lebenswichtige Nährstoffe, so dass das Wachstum verlangsamt und das Immunsystem, das vor den häufigsten Krankheiten schützt, geschwächt wird.
Wenn die MSF-Teams bei einem Kind schwere Mangelernährung feststellen, schlagen sie je nach Gesundheitszustand entweder eine ambulante Behandlung in einem therapeutischen Ernährungszentrum oder einer mobilen Klinik oder aber eine stationäre Behandlung vor.
Am stärksten betroffen von der Mangelernährung sind die Sahelstaaten, die Länder am Horn von Afrika sowie gewisse asiatische Staaten. Dort liegt die Rate der akuten Mangelernährung bei Kindern unter fünf Jahren bei über 10 Prozent.
Symptome - Schwere Mangelernährung:
- ein zu niedriger Wert beim Verhältnis zwischen Körpergrösse und Gewicht (gemäss einer allgemeingültigen Referenztabelle)
- Hungerödeme (Schwellungen an den Knöcheln oder im Gesicht)
- ein Oberarmumfang von weniger als 115 Millimetern (Messung mit einem MUAC-Armband)
Welche Formen von Mangelernährung gibt es?
Die erste Form, die akute Mangelernährung, entwickelt sich sehr schnell und kann, wenn sie nicht sofort behandelt wird, zum Tod führen. Die zweite Form, die chronische Mangelernährung, entwickelt sich über einen längeren Zeitraum und äussert sich in einer Wachstumsverzögerung. Leider gibt es für diese Form keine Behandlung, sie kann nur durch Präventionsmassnahmen vorgebeugt werden. Bei der dritten Form handelt es sich um einen Mangel an Mikronährstoffen, auch «unsichtbarer Hunger» genannt, deren Symptome erst in fortgeschrittenem Stadium sichtbar werden. Die Folgen können sehr gravierend sein, denn Nährstoffmangel beeinträchtigt die Abwehrkräfte und kann beispielsweise zu Blindheit führen.
Warum und wann wird ein Ernährungsprogramm eingerichtet?
Das Ziel dieser Programme ist, die Mortalität und Morbidität im Zusammenhang mit Mangelernährung zu verringern. Bevor ein Programm aufgebaut wird, muss die Ernährungssituation untersucht werden. Dies ermöglicht, die Bedürfnisse abzuschätzen und die anzuwendenden Strategien zu bestimmen.
Diese Analyse wird in der Regel bei Kindern unter fünf Jahren vorgenommen, die als Erste von Mangelernährung betroffen sind. Um ihren Ernährungszustand zu bestimmen, wird unter anderem ihr Oberarmumfang mit dem speziell dafür entwickelten MUAC-Armband gemessen und nach Ödemen gesucht.
Die Ernährungsprogramme sind ein fester Bestandteil der medizinischen Nothilfe, besonders bei Konflikten, Naturkatastrophen wie einer Dürre, bei Epidemien oder Vertreibung der Zivilbevölkerung. In solchen Situationen ist der Zugang zu Nahrung häufig unzureichend oder nicht vorhanden.
Wenn von den häufigsten Todesursachen von Kindern unter fünf Jahren weltweit die Rede ist, wird Mangelernährung selten genannt. Sie tritt jedoch zusammen mit anderen Krankheiten in 45 Prozent aller Todesfälle auf.
Wie sieht die Behandlung von mangelernährten Kindern aus?
Wenn die MSF-Teams Kinder mit schwerer Mangelernährung vorfinden, schlagen sie je nach Gesundheitszustand eine ambulante oder eine stationäre Behandlung im Spital vor. In den ambulanten therapeutischen Ernährungszentren wird die Entwicklung der Kinder anhand einer medizinischen Untersuchung einmal pro Woche verfolgt. Bei jedem Besuch erhalten sie eine wöchentliche Ration der gebrauchsfertigen therapeutischen Nahrung, die lange haltbar ist und nicht zubereitet werden muss. Diese therapeutischen Nahrungsmittel enthalten alle Nährstoffe wie Proteine, Vitamine und Mineralstoffe, die für die Ernährung und das Wachstum des Kindes benötigt werden. Auf diese Weise können die Kinder zuhause in der Familie behandelt werden und kommen einmal in der Woche zur Kontrolle ins Gesundheitszentrum. Diese ambulante Behandlungsart ermöglicht die Betreuung von einer Vielzahl von Patienten und bedeutet weniger Verpflichtungen für die Familie.
Treten medizinische Komplikationen oder Begleiterkrankungen wie schwere Dehydrierung oder Infektionen auf, können die Kinder in ein intensiv-therapeutisches Ernährungszentrum aufgenommen werden. In der ersten Phase geht es darum, den Körper der kleinen Patienten wieder an den Verdauungsprozess zu gewöhnen, während gleichzeitig die aufgetretenen Komplikationen behandelt werden. Die Kinder werden auch gegen Masern geimpft, da diese ansteckende Krankheit häufig zu Mangelernährung führt. Anschliessend folgt die Phase des Nahrungsaufbaus, in der die Kinder schrittweise wieder mit Nährstoffen versorgt werden. Zu diesem Zeitpunkt können sie in einem ambulanten therapeutischen Zentrum in ihrer Nähe betreut werden.
Es kommt nur selten vor, dass MSF Fälle von moderater Mangelernährung behandelt. Der Fokus liegt auf der schweren Mangelernährung, bei der das Sterblichkeitsrisiko viel höher ist, sowie auf Präventivstrategien. In besonders gefährdeten Gebieten und während des saisonalen Nahrungsmittelengpasses kann es vorkommen, dass MSF als einziger Akteur vor Ort flächendeckend Verteilungen von gebrauchsfertiger Ergänzungsnahrung durchführt, um der Mangelernährung bei Kindern präventiv entgegenzuwirken. Unter gewissen Umständen verteilen MSF-Teams auch Nahrungsrationen mit hohem Energiegehalt an Vertriebene oder Flüchtlinge.
Welche Entwicklungen und Herausforderungen stellen sich in der Zukunft?
MSF arbeitet eng mit dem lokalen Gesundheitspersonal zusammen. Die Behandlungsrichtlinien und Einsatzstrategien werden laufend an den neuesten Stand angepasst. So werden beispielsweise lokale Gesundheitshelfer, aber auch Mütter dahingehend geschult, dass sie bei einem Kind Mangelernährung möglichst früh feststellen und manchmal bereits mit der Behandlung beginnen können. Dies ist insbesondere für abgelegene Dörfer, die kein Gesundheitszentrum in der Nähe haben, entscheidend.
Zu den künftigen Herausforderungen gehört beispielsweise die ernährungsbezogene Betreuung von schwangeren und stillenden Frauen, um Komplikationen, Mortalität und Morbidität von Mutter und Kind so gut wie möglich zu begrenzen. Diese frühzeitige Betreuung von schwangeren Frauen erlaubt es, der Mangelernährung beim Kind vorzubeugen.