Bosnien: Ärzte ohne Grenzen fordert Schliessung des Flüchtlingslagers Vucjak

07. November 2019, Velika Kladusa, Bosnien

2 Min.

Das Lager für an der EU-Aussengrenze gestrandete Flüchtlinge und Migranten im Nordwesten Bosnien-Herzegowinas erfüllt nicht einmal Minimalstandards. Die Bewohner schlafen bei Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt in unbeheizten Zelten, der Boden ist mit leicht entflammbarem Methangas kontaminiert und in der Umgebung liegen Landminen.

Die lokalen Behörden haben am Mittwoch angekündigt, dass weitere Neuankömmlinge den ganzen Winter über nach Vucjak gebracht werden sollen. Das bosnische Rote Kreuz und Freiwillige leisten zwar medizinische Hilfe in Vucjak, doch der Zugang zu medizinischer Versorgung ist eingeschränkt. Ärzte ohne Grenzen ist seit Ende Oktober in einem Gesundheitszentrum nahe des Lagers aktiv.

07. November 2019, Velika Kladusa, Bosnien

Bei vielen Lagerbewohnern führen die schlechten Lebensbedingungen zu Hautkrankheiten, Atemwegsinfektionen, Unterkühlung oder sogar zu Erfrierungen. 07. November 2019, Velika Kladusa, Bosnien

© Anna Pantelia/MSF

«Das Lager in Vucjak ist ein gefährlicher und menschenunwürdiger Ort. Niemand sollte so leben müssen», sagt Nihal Oman, Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen auf dem Balkan. «Bewohner von Vucjak kommen in Flipflops, ohne Socken oder Jacken in unserer Klinik an. Viele leiden als Folge der entsetzlichen Lebensbedingungen an Atemwegsinfektionen und Hautkrankheiten.»

Es bricht einem das Herz mitanzusehen, wie unsere Patienten nach der Behandlung wieder auf dem kalten Boden in einem Zelt schlafen müssen. Es ist inakzeptabel, dass dieses Lager weiter genutzt wird.

Nihal Oman, MSF-Einsatzleiter auf dem Balkan

In der Gegend um Bihac und Velika Kladusa im Nordwesten Bosniens sind mehr als 6000 Flüchtlinge und Migrant*innen gestrandet. Die meisten von ihnen stammen aus Pakistan, Iran, Syrien und Afghanistan. Nur 2800 davon sind in den vier offiziellen, von der Internationalen Organisation für Migration organisierten, Lagern untergebracht. Die anderen leben in provisorischen Behausungen, in leerstehenden Gebäuden oder auf der Strasse. «Diejenigen, die nicht in offiziellen Lagern registriert sind, haben keinen Zugang zu Hilfe und sind der Gefahr von Gewalt ausgesetzt», so Oman. «Solange die Behörden keine sicheren winterfesten Unterkünfte und angemessene Hilfe für diese Menschen bereitstellen, ist es womöglich nur eine Frage der Zeit, bis es zu Todesfällen kommt.»

06. November 2019, Vucjak, Bosnien

Ein Mann aus Indien, der Schwierigkeiten beim Gehen hat, wird im Gesundheitszenrum in Vuciak von einer MSF-Ärztin untersucht.

© Anna Pantelia/MSF

Jeden Tag 60 Patientinnen und Patienten in den MSF-Kliniken

Ärzte ohne Grenzen kümmert sich seit vier Jahren auf dem Balkan um Geflüchtete. In Velika Kladusa und in der Nähe des Lagers Vucjak haben die Teams seit Anfang August 1200 Menschen versorgt. Derzeit behandeln sie in den beiden Kliniken rund 60 Patienten am Tag, darunter auch Opfer von sexueller Gewalt. Etliche Patienten haben auch Gewaltverletzungen, die ihnen nach eigenen Aussagen durch Grenzbeamte zugefügt wurden. «Vor zwei Wochen habe ich versucht, die Grenze zu Kroatien zu überqueren», berichtete ein Mann im Gesundheitszentrum des Dorfes Zavalje. «Kroatische Polizisten erwischten uns. Sie schlugen uns und nahmen uns unsere Jacken und Schuhe, unsere Taschen, Telefone und unser Geld weg. Dann brachten sie uns zurück nach Bosnien. In unserer Gruppe waren auch Kinder. Die Polizisten schlugen auch sie. Solche Sachen kommen ständig vor.»