Djibo: Leben unter Blockade

BP-5 Boxen, die am Verteilungsort PSA4 (vorgeschobener Gesundheitsposten) ankommen.

Burkina Faso4 Min.

Burkina Faso ist zum Schauplatz einer humanitären Krise unvergleichlichen Ausmasses geworden. Zwei Millionen Menschen wurden bisher von dschihadistischen Gruppen gewaltvoll innerhalb des Landes vertrieben (Quelle: OCHA, Stand 31. März 2023). Die nördlich gelegene Stadt Djibo wird seit über einem Jahr von nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen eingekesselt.

Seit Monaten ist die Stadt Djibo in der Sahelzone von der Aussenwelt abgeschnitten – und von der medizinischen Versorgung: Nichtstaatliche bewaffnete Gruppen blockieren die Strassen, die in die Stadt führen, und schränken damit die Bewegungsfreiheit der Bevölkerung massiv ein. Der Zugang zu grundlegenden Diensten ist stark limitiert. Es fehlt an Nahrungsmitteln, Wasser und Strom; die Menschen kämpfen ums Überleben. Auch Kommunikationsmittel sind nur beschränkt verfügbar. Die Gewalt zwischen den burkinischen Verteidigungs- und Sicherheitskräften und nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen am Stadtrand von Djibo haben dazu geführt, dass viele Betroffene aus umliegenden Dörfern in die Stadt fliehen. Unter den rund 300 000 Einwohner:innen sind fast 270 000 Binnenvertriebene. Die Hälfte von ihnen sind Kinder, die in Camps oder bei Gastfamilien leben.

Eine Mutter mit ihrem Kind auf dem Rücken erhält ihre BP-5-Box.

Eine Mutter und ihr Kind erhalten ihre BP-5-Packung. Djibo, 8. April 2023.

© Nisma Leboul/MSF

Extreme Lebensbedingungen

Viele Menschen sind zwischen die Fronten geraten. Seither haben sich ihre Lebensbedingungen kontinuierlich verschlechtert. Ohne humanitäre Hilfe geht es kaum. In Djibo fehlte es lange Zeit an allem, sogar an Salz. Lange konnten sich die Menschen nur von Blättern ernähren. «Ich hatte nichts mehr zu essen für meine Kinder», sagt Safi. Die 30-Jährige ist fünffache Mutter und wurde intern vertrieben. Sie floh mit ihrer Familie aus ihrem 100 Kilometer von Djibo entfernten Dorf Yalanga. Unterwegs wurde ihr Mann von bewaffneten Gruppen getötet. Ihre Tage organisiert sie momentan basierend auf den Lebensmittelverteilungen des Welternährungsprogramms – und  Gelegenheitsjobs im Haushalt anderer Familien.

«Mittlerweile geht es uns etwas besser», sagt Safi. Am 21. März erreichte das erste Mal seit vier Monaten ein Konvoi mit Lebensmitteln und Hilfsgütern unter bewaffneter Eskorte Djibo. Auch wenn es um die Sicherheits- und Ernährungslage in Djibo weiterhin schlecht steht: Die Lieferung bringt Erleichterung in den Alltag vieler Betroffener.

Frauen und Kinder warten an der Verteilungsstelle.

Frauen und Kinder warten an der Verteilungsstelle in Djibo. 8. April 2023

© Nisma Leboul/MSF

Wochenlang war die Ernährungssituation in Djibo höchst besorgniserregend. Das Ausmass ist schwer abzuschätzen, und die Informationen über den Ernährungszustand der Bevölkerung sind lückenhaft. Humanitäre Akteure haben Schwierigkeiten, ihre Hilfsmassnahmen an Bedürfnisse anzupassen, über die nicht alles bekannt ist. Seit den ersten Warnungen im Oktober 2022 sind mehrere Organisationen aktiv geworden. Doch ihr Einsatz reicht nicht aus, um den Bedarf zu decken, insbesondere im Hinblick auf die kommenden Monate. Zwar konnten die Ernährungsmassnahmen in den vergangenen Wochen den Zustand vieler mangelernährter Kinder verbessern. Doch der Ernährungsengpass bleibt – mitsamt all seinen Risiken.

Am 8. und 9. April verteilten unsere Teams 57 Tonnen BP-5-Kekse an 12 456 Familien mit Kindern im Alter von 6 Monaten bis 5 Jahren. Damit ist ihr Nahrungsbedarf einen Monat lang gedeckt. Die kompakten, energiereichen Kekse dienen als Nahrungsergänzungsmittel und können helfen, Mangelernährung bei Kindern zu verhindern. Sie bestehen aus einer Basis von Weizenmehl, Fetten, Pflanzenöl, Zucker und Sojaprotein und werden mit Vitaminen und Mineralien angereichert. Mit der Verteilung konnten die Lebensbedingungen sämtlicher Einwohner:innen von Djibo verbessert werden.

Zugang zu medizinischer Versorgung massiv eingeschränkt

Die Blockade hat auch Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung. Verschiedene Einrichtungen mussten geschlossen werden, da das medizinische Personal geflüchtet ist und Medikamente nicht mehr lieferbar sind. Die verbleibenden Einrichtungen laufen auf Minimalbetrieb, so dass der Zugang zu medizinischer Versorgung für die ohnehin sehr vulnerable Bevölkerung massiv eingeschränkt ist. «Wir leiden sehr», berichtet ein Gemeindevertreter.

Seit Einsatzbeginn im Jahr 2018 unterstützen wir in der Stadt Djibo, in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium, eine medizinische Einrichtung mit chirurgischer Abteilung (CMA), zwei Gesundheitsposten sowie drei Gemeindegesundheitszentren.

Die Behandlung im CMA ist für die Patient:innen kostenlos. Zudem erhalten sie und ihre Begleitpersonen drei Mahlzeiten pro Tag – was angesichts der seit Monaten andauernden allgemeinen Ernährungsunsicherheit sehr wichtig ist. Dank Solarpanels, die unsere Teams installiert haben, funktionieren der Operationssaal und die Notfallstation komplett autark.

Unsere Teams bauen zudem Brunnen und sanieren Wasserstellen. So müssen die Frauen sich nicht mehr in Gefahr begeben, indem sie viele Kilometer zurücklegen, um Trinkwasser zu holen.

Ärzte ohne Grenzen hat nicht nur die Bevölkerung von Djibo unterstützt, sondern auch uns begleitet, denn diese Situation hatte ebenfalls Auswirkungen auf uns und unsere Familien.

Hamdoum Moussa, Supervisor für Gesundheitsförderung.

Auf dem Höhepunkt der Blockade wurden Lebensmittel auf dem Luftweg eingeflogen. So konnte die Versorgung unserer Teams, die unermüdlich weiterarbeiteten, sichergestellt werden. Trotz äusserst schwieriger Umstände herrschen Solidarität und sozialer Zusammenhalt in der Stadt sowie innerhalb unserer Teams, die sich um die stetig wachsenden Bedürfnisse der Menschen vor Ort kümmern.