Ebola auf dem Vormarsch: Es braucht neue Strategien zur Epidemie-Bekämpfung
© Alexis Huguet
Demokratische Republik Kongo3 Min.
Sieben Monate nach dem grössten Ebola-Ausbruch in der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo) konnte die Epidemie noch immer nicht unter Kontrolle gebracht werden. Das Misstrauen der Bevölkerung spielt dabei eine entscheidende Rolle, erklärt Médecins Sans Frontières/Ärzte ohne Grenzen (MSF) an einer Pressekonferenz in Genf. Seit Anfang des Jahres starben mehr als 40 % der neu bestätigten Ebolapatienten zuhause in ihren Gemeinden. In Katwa und Butembo, dem Epizentrum der Epidemie, sind bei 43 % der neu infizierten Ebolapatienten der letzten drei Wochen keine Verbindungen zu anderen Fällen bekannt.
«Es gibt einen grossen Widerspruch: Auf der einen Seite stehen die Möglichkeiten für eine schnelle und umfassende Ebola-Bekämpfung mit neusten medizinischen Mitteln wie Impfungen und Behandlungsmethoden mit sehr guten Ergebnissen, wenn die Menschen genug früh behandelt werden. Auf der anderen Seite sterben die Menschen zuhause in ihren Gemeinden, weil sie den Ebola-Bekämpfungsstrategien misstrauen und deshalb nicht in die Behandlungszentren kommen», erklärt Dr. Joanna Liu, internationale Präsidentin von MSF.
Spannungen im Zusammenhang mit der Ebola-Bekämpfung
Letzte Woche musste MSF die Aktivitäten in den Ebola-Behandlungszentren in Katwa und Butembo im Bezirk Nord-Kivu aufgrund der Angriffe auf die beiden Zentren einstellen. MSF hat keine Angaben über Motive und Identität der Täter. Die Ereignisse stehen im Zusammenhang mit den zunehmenden Spannungen im Zusammenhang mit der Ebola-Bekämpfung im Land. Allein im Februar wurden Dutzende von Sicherheitsvorfällen im Zusammenhang mit der Ebola-Bekämpfung gemeldet. Die Ursachen dieser Vorfälle sind unterschiedlich, es zeigt sich jedoch, dass politische, soziale und wirtschaftliche Missstände sich an der Ebola-Bekämpfung entzünden.
Die Spannungen haben unterschiedliche Hintergründe: Da sind zum einen die grossen finanziellen Mittel, die in die Ebola-Bekämpfung fliessen - und dies in einer vernachlässigten Region, die von Konflikten und Gewalt geprägt ist und seit langem an der fehlenden Gesundheitsversorgung leidet. Auch wurden die Wahlen offiziell aufgrund der Ebola-Epidemie verschoben. Dies hat das Misstrauen, dass es sich bei Ebola um ein politisches Kalkül handelt, noch verstärkt.
Zwangsmassnahmen helfen nicht
Der Einsatz von Polizei und Streitkräften, um die Menschen zur Einhaltung der Gesundheitsmassnahmen gegen Ebola zu zwingen, führt zu einer weiteren Abschreckung der Bevölkerung und ist kontraproduktiv für die Bekämpfung der Epidemie. Die Ausübung von Zwang bei Aktivitäten wie sicheren Bestattungen, bei der Nachverfolgung von Kontakten und bei der Aufnahme in Behandlungszentren hält die Menschen davon ab, sich zu melden. Sie werden stattdessen eher dazu gedrängt, sich zu verstecken.
Der Umgang mit dem aktuellen Ebola-Ausbruch muss eine neue Wendung nehmen: Betroffene und ihre Familien müssen in die Entscheidungen über die Behandlung der Krankheit eingebunden werden. Mehr Menschen müssen gegen Ebola geimpft werden, dafür werden mehr Impfstoffe benötigt. Ausserdem müssen Lösungen für andere dringende Gesundheitsbedürfnisse der Bevölkerung gefunden werden. Es darf kein Zwang ausgeübt werden, um Patienten und Patientinnen aufzuspüren, sichere Bestattungen durchzuführen oder Häuser zu dekontaminieren.
Der Umgang mit Ebola muss patientenzentriert und auf die Gemeinschaften zugeschnitten sein. Kranke müssen als Menschen behandelt werden und nicht als biologische Gefährdung.
«Ebola ist eine schreckliche Krankheit, die Angst auslöst und zur Isolation von Patienten und Patientinnen, ihren Familien und Gesundheitspersonal führt», sagt Joanne Liu. «Der Umgang mit Ebola muss patientenzentriert und auf die Gemeinschaften zugeschnitten sein. Kranke müssen als Menschen behandelt werden und nicht als eine Art biologische Gefährdung.»
Sieben Monate nach Beginn des aktuellen Ebola-Ausbruchs in den Provinzen Nord-Kivu und Ituri gab es laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) 907 Ebola-Fälle (841 bestätigte und 66 wahrscheinliche), 569 Menschen starben (Quelle: Weltgesundheitsorganisation Report Week 9). MSF ist nach der Einstellung der Aktivitäten in Katwa und Butembo weiterhin in den Städten Kayna und Lubero in Nord-Kivu im Ebola-Einsatz und leitet zwei Ebola-Transitzentren in Bwanasura und Bunia in der Provinz Ituri. In der Stadt Goma hat MSF das Überwachungssystem verstärkt und dafür gesorgt, dass ausreichend Kapazitäten für die Bewältigung von Verdachtsfällen vorhanden sind.
Vor sechs Jahren, im Juli 2013, wurden vier MSF-Mitarbeitende in Kamango, Nord-Kivu, bei der Evaluation der medizinischen Bedürfnisse der Region, entführt, drei werden noch immer vermisst.
© Alexis Huguet