Haiti: Tausende Menschen wegen bewaffneter Auseinandersetzungen eingeschlossen

Johanne geht mit Krücken einen Gang entlang

Haiti2 Min.

Tausende von Menschen sind in einem isolierten Gebiet des Stadtteils Cité Soleil in Port-au-Prince von Trinkwasser, Nahrung und medizinischer Versorgung abgeschnitten. Bewaffnete Gruppen kämpfen um die Kontrolle über dieses Gebiet in der haitianischen Hauptstadt. Ärzte ohne Grenzen ruft die bewaffneten Gruppen auf, den Schutz der Zivilbevölkerung zu wahren und Hilfslieferungen von humanitären Organisationen zuzulassen. «Unser Hauptanliegen ist es, so viele Leben wie möglich zu retten», sagt Jean-Gilbert Ndong, medizinischer Koordinator von Ärzte ohne Grenzen.

Brooklyn, ein isolierter Stadtteil von Cité Soleil mit schätzungsweise mehreren tausend Einwohnern, liegt in einem sumpfigen Küstengebiet nördlich eines Erdölterminals. Seit dem 8. Juli, als die Kämpfe in Cité Soleil ausbrachen, konnten die Bewohner:innen Brooklyn wegen der Auseinandersetzungen nicht mehr verlassen. Auch die Lastwagen mit Trinkwasser, auf das die Bewohner angewiesen sind, konnten nicht mehr in den Stadtteil gelangen. 

«Entlang der einzigen Strasse nach Brooklyn sind wir auf Leichen gestossen, die verwest oder verbrannt sind», berichtet Mumuza Muhindo, Landeskoordinator von Ärzte ohne Grenzen in Haiti. «Es könnte sich um Menschen handeln, die bei den Zusammenstössen getötet wurden, oder um Menschen, die versucht haben zu fliehen und erschossen wurden. Es ist unmöglich einzuschätzen, wie viele Menschen getötet wurden.» Die Lage in Brooklyn verschlechtert sich zusehends angesichts der anhaltenden Kämpfe. 

Wir appellieren an alle Parteien, Hilfslieferungen nach Brooklyn zuzulassen und die Zivilbevölkerung zu verschonen.

Mumuza Muhindo, Landeskoordinator von Ärzte ohne Grenzen in Haiti

«Wir rufen zudem die humanitäre Gemeinschaft auf, auf die dringenden Bedürfnisse der Bevölkerung in Brooklyn und anderen von den Kämpfen betroffenen Stadtteilen zu reagieren, einschliesslich der Versorgung mit Wasser, Lebensmitteln und medizinischer Hilfe», fährt Muhindo fort.

Drei medizinische Mitarbeitende von Ärzte ohne Grenzen, die in Brooklyn leben, haben die Verwundeten in einer Privatklinik behandelt, die einzige funktionierende Gesundheitseinrichtung in der Enklave. Am 10. Juli konnte Ärzte ohne Grenzen 12 Patient:innen mit dringenden medizinischen Bedürfnissen aus der Klinik in Sicherheit bringen, darunter Menschen mit Schusswunden, Schwangere und ein Kind, das dringend medizinische Hilfe brauchte.


Menschen mit dringenden medizinischen Bedürfnissen evakuieren

«Unglücklicherweise ist es ein Quartier, in dem ein Grossteil des Abfalls der Stadt in einem Kanal entsorgt wird», sagt Muhindo. «Die Bevölkerung hat auch sonst keinen Zugang zu Wasser und Strom, und Latrinen und eine medizinische Versorgung werden dringend benötigt. Aufgrund der momentanen Kämpfe hat sich die Situation weiter verschlechtert.» Ärzte ohne Grenzen versucht weiterhin, Menschen aus Brooklyn zu evakuieren, die dringend medizinische Hilfe brauchen.  

Unsere Teams behandeln auch Gewaltopfer in anderen Gebieten von Cité Soleil. Im Notfallzentrum von Ärzte ohne Grenzen in der Region Drouillard stabilisieren sie Verletzte und überweisen sie in Spitäler, sofern dies möglich ist. Gestern eröffnete Ärzte ohne Grenzen einen Operationssaal, um die chirurgische Notfallversorgung vor Ort aufzunehmen. Bewaffnete Auseinandersetzungen in unmittelbarer Nähe des Notfallszentrums haben die Arbeit erschwert, und das medizinische Personal musste stundenlang in einem Schutzraum ausharren.

Das Spital von Ärzte ohne Grenzen in Tabarre, in das viele der Verwundeten eingeliefert werden, hat seine Behandlungskapazitäten ausgebaut. Seit dem 8. Juli haben die Chirurgie-Teams in Tabarre täglich etwa 15 chirurgische Eingriffe durchgeführt.