Jordanien, 04.05.2016
Jordanien, 04.05.2016
© Alessio Mamo/MSF

Chirurgie: Chirurgische Eingriffe im Feld

Bei bewaffneten Konflikten ist die Chirurgie oft die einzig mögliche medizinische Aktivität, um der Bevölkerung zu helfen. Die Chirurgen arbeiten dann häufig unter prekären Bedingungen, und vor Ort steht meist kaum Hilfsmaterial zu Verfügung.

Versorgungsengpässe, fehlende oder beschädigte Ausrüstung und medizinisches Personal, das selbst flüchten muss, führen zu grossen materiellen und personellen Einschränkungen und damit zu Arbeitsbedingungen, die nicht mehr viel mit der üblichen Arbeit eines Chirurgen gemein haben.

Bei längerfristigen Programmen umfasst die Arbeit eines Chirurgen vor allem die Ausbildung von einheimischem Personal. Dazu ist eine vollständige und genaue Beurteilung der Ausgangssituation notwendig. Nur so kann das Einsatzteam eine vollständige Analyse der Arbeitsbedingungen des Personals erstellen und ein Programm festlegen.

Haupttätigkeiten

  • Traumatologie
  • Geburtschirurgie/Kaiserschnit

Traumatologie und Kaiserschnitte: chirurgische Soforthilfe, die Leben rettet

Auch wenn das benötigte Material und qualifiziertes Personal nicht immer zur Verfügung stehen, ist die Chirurgie gerade in der Nähe von Kampfgebieten oder in Regionen, die komplett von medizinischer Hilfe abgeschnitten sind, für die Menschen lebenswichtig. Unabhängig davon, ob sie bei einer Explosion, durch Schüsse oder auch bei einem Unfall verletzt wurden, müssen die Betroffenen so schnell wie möglich versorgt werden. Denn eine Überweisung in eine andere Einrichtung ist häufig sehr schwierig, wenn nicht sogar unmöglich. Ein bedeutender Teil der chirurgischen Tätigkeit von MSF betrifft geburtshilfliche Massnahmen wie Kaiserschnitte.

Die Operationssäle sind nicht immer in festen Gebäuden untergebracht: Es kann vorkommen, dass die Logistik-Teams ein aufblasbares Operationszelt aufstellen oder einen OP-Saal in Containern einrichten. Dies war beispielsweise in Haiti, in Kenia oder jüngst in Syrien der Fall.

Bei MSF hat man mit fast allen Bereichen der Chirurgie zu tun. Allgemeine Chirurgie, viel Orthopädie, Traumatologie mit Schuss- und Machetenwunden. Plastische Chirurgie, in der Regel nichts Kompliziertes, aber mit Hauttransplantationen. Eingriffe im Bereich Geburtshilfe mit Kaiserschnitten.

John Buckels, Chirurg bei MSF

Einsatz- und Finanzplanung

Sowohl in Notsituationen als auch bei längerfristigen Projekten führt das chirurgische Team, allen voran der Chirurg oder die Chirurgin, zunächst eine Bestandsaufnahme der Infrastruktur des Spitals, der vorhandenen Ausrüstung und des Personals durch. Auch die Beleuchtung ist ein wesentlicher Punkt. Meistens müssen die Einsatzteams nur mit Tageslicht operieren oder sich mit einer einfachen Lampe begnügen, bei der manchmal die Birne durch einen Autoscheinwerfer ersetzt wurde. Wenn Operationsinstrumente fehlen oder unbrauchbar sind, bringen die Chirurgen das erforderliche Material in Form von Kits mit, die im MSF-Logistikzentrum in Bordeaux vorbereitet und gelagert werden. Das Kit «Chirurgie 300 Einsätze» zum Beispiel erlaubt es, in einem Konfliktgebiet einen chirurgischen Einsatz zu starten und monatlich 300 grössere Eingriffe in einer Spitaleinrichtung mit 100 Betten vorzunehmen. Der Einsatz der Kits unterliegt aber einer grundsätzlichen Regel: Jede Einführung von neuem Material – oder eines neuen Prozesses – kann ein bereits prekäres Gleichgewicht zusätzlich gefährden und muss deshalb reiflich überlegt sein, auch in Bezug auf die Möglichkeiten des einheimischen Personals, die Neuheiten in ihre Arbeit zu integrieren.

Das Gleiche gilt auch für die Wahl von Nahtmaterial. Chirurgen sollen nur solche Fäden benützen, die unabdingbar sind. Je weniger Sorten, desto einfacher der Einkauf, die Beschaffung und die Benützung durch das lokale Personal. Normalerweise genügen acht verschiedene Fäden. Diese Punkte gilt es bei der Einsatz- und Finanzplanung unbedingt zu berücksichtigen.

Asepsis, Dekontamination und Sterilisierung

Vor jeder Operation müssen sich die chirurgischen Teams vergewissern, dass Asepsis (Keimfreiheit), Dekontamination und Sterilisierung der Werkzeuge und des Arbeitsortes eingehalten werden. Um sich von der Asepsis ein Bild zu machen, müssen die Handgriffe des lokalen Personals genau beobachtet werden. Auch das Vorgehen beim Dekontaminieren des Bodens, der Arbeitsflächen, des Abdecktuches sowie der Instrumente muss sorgfältig analysiert werden.

Postoperative Voraussetzungen

In sehr gefährlichen Krisengebieten hängt das Überleben eine:r Patient:in in erster Linie von der Achtsamkeit der Familie ab  – wenn eine Familie da ist – und der Möglichkeit, ihn vor einer erneuten Verletzung zu schützen. Normalerweise aber sind die Anzahl, die Qualifikation und vor allem die Motivation des lokalen Personals ausschlaggebend für Heilungserfolge. Die MSF-Teams müssen vor allem am Anfang darauf achten, sich genügend Zeit zu nehmen, um beispielsweise zu überprüfen, wie Verbände angelegt und Medikamente verteilt werden und ob Infusionen nachts halten. Daneben sollen sie dem Personal hilfreiche Ratschläge geben.