«Ich will etwas für meine Gemeinschaft tun»

Ein Portrait von Djapan. Er steht vor einer grünen Wiese und trägt ein MSF-Staff T-Shirt. Er arbeitet als lokaler Gesundheitshelfer für MSF in Drodro

Demokratische Republik Kongo4 Min.

Der 30-jährige Djapan* arbeitet im Vertriebenenlager in Drodro, Provinz Ituri, als lokaler Gesundheitshelfer für Ärzte ohne Grenzen. Djapan musste, genau wie die Menschen, denen er jetzt hilft, vor Gewalt zwischen verfeindeten Bevölkerungsgruppen fliehen. Hier ist sein Bericht.

«Ich war Lehrer an der lokalen Primarschule, als der Konflikt mich zwang, mein Heimatdorf Tché, das rund zwölf Kilometer entfernt von Drodro ist, zu verlassen. Das war 2018. Um fünf Uhr in der Früh flüchteten wir damals mit Sack und Pack. Obschon von Packen nicht gross die Rede sein kann: Tatsächlich hatten wir nicht einmal Ersatzkleider oder etwas zu Essen dabei. Meine Familie und ich durchquerten zu Fuss den Busch, bis wir erstmals das Gelände in Drodro erreichten, wo sich die intern Vertriebenen niedergelassen hatten. 

Die Lebensbedingungen waren schlecht: Keine Nahrung, keine Gesundheitsversorgung, mangelhafte Hygiene. Ich hatte nur ein einziges Hemd und eine Hose dabei. Wir lebten in permanenter Ungewissheit. Die Vertriebenen zählen auf die tägliche Arbeit in den Feldern, um ihre Bedürfnisse decken zu können, doch es gab nicht jeden Tag Arbeit. Damals war Ärzte ohne Grenzen die einzige internationale Nichtregierungsorganisation vor Ort in Drodro. Ich war zum Verantwortlichen für das Kirchengebäude ernannt worden, das ich bewohnte. Ich wollte etwas für meine Gemeinschaft tun, Sachen zum Positiven verändern, selbst wenn ich davon nicht leben konnte. So arbeitete ich von April bis Juni 2018 erstmals als lokaler Gesundheitshelfer für Ärzte ohne Grenzen in Drodro.

Dann startete die Organisation ein Projekt in Tché, weil die Leute allmählich wieder zurückkehrten. Meine Aufgaben blieben dieselben, doch nun konnte ich in meinem Heimatdorf arbeiten! Zunächst kehrte ich nach der Arbeit noch jeden Tag nach Drodro zurück, entschied aber dann, mich wieder in Tché niederzulassen, damit ich näher bei meiner Gemeinschaft war. Als das Projekt im Februar 2019 beendet wurde, beschloss ich, zu bleiben. Oder das dachte ich zumindest. Um für meinen Lebensunterhalt aufzukommen, öffnete ich nebenbei noch ein kleines Geschäft für Telefonzubehör.

Ein grosser und mit diversen Sachen überfüllter Raum. Das Zimmer beherbergt viele Menschen auf engem Raum.

Das Hauptgebäude des Vertriebenenlagers, in dem Djapan lebte.

© MSF/Djann Jutzeler

Im Juni hörten wir, dass es erneut zu Gewalt gekommen sei. Es war noch weit weg von uns und wir kümmerten uns nicht gross darum. Doch die Angreifer rückten langsam aber sicher näher. Am 12. Juni erfuhren wir, dass unser Dorf am Tag darauf angegriffen werden solle. Ich lebte mit meinen Eltern, meiner Frau und meinen Kindern und hatte nur ein Motorrad. Wie sollte ich sie in Sicherheit bringen? Ich musste zweimal die Strecke hin- und zurückfahren, um schliesslich alle ins Lager nach Drodro zu bringen. Um 17 Uhr war ich zurück in Tché, um meine Sachen zu packen. Denn wir wollten nicht noch einmal weggehen, ohne auch nur das Geringste mitzunehmen. Doch die Angreifer waren bereits in der Nähe und blockierten die Strasse. Ich hatte keine andere Wahl, als zu bleiben und die Nacht dort zu verbringen. 

Die Information vom Vortag stellte sich leider als richtig heraus: Am 13. Juni um vier Uhr morgens stürmten die Angreifer mein Dorf und attackierten alle, die noch nicht die Flucht ergriffen hatten. Wir versteckten uns so gut es ging. Die Menschen, die sich entschieden hatten, über die Strasse zu fliehen, wurden massakriert. Ich blieb sieben Stunden lang in meinem Versteck und wartete, bis die Angreifer wieder weg waren. Manche blieben während Tagen im Busch, ohne Essen oder Trinken. Die Leute flohen in der Nacht und zu Fuss. Sie waren allmählich am Ende ihrer Kräfte. So traf ich zum zweiten Mal im Lager für Binnenvertriebene in Drodro ein. 

Eines Tages erhielt ich einen Anruf aus Ituri, vom Verantwortlichen für Gesundheitsförderung von Ärzte ohne Grenzen. Sie brauchten dringend Personal und hatten noch meinen Kontakt. «Djapan, kannst du nach Bunia kommen, damit wir über Arbeitsmöglichkeiten sprechen können?» Nach vier Stunden auf dem Motorrad und einigen Umwegen, um die Milizen zu umgehen, kam ich in Bunia an. So kam es, dass ich im Juli 2019 zum zweiten Mal lokaler Gesundheitshelfer wurde. 

Diesen Job mache ich bis heute. Wir sind da für die vertriebenen Menschen, die sich im Lager in Drodro niedergelassen haben. Wie viele es genau sind, ist schwierig zu sagen. Doch es sind viele, zu viele. Die Lebensbedingungen sind nicht besser geworden. Das schadet auch meiner Arbeit: Ich kann zum Beispiel keine Dokumente aufbewahren, die ich für meine Aufklärungstätigkeiten zum Thema Gesundheit brauche. Meine Frau, unsere fünf Kinder und ich beschlossen deshalb, nach Dhessa zu ziehen, ausserhalb des Lagers. Ich hoffe sehr, dass meine Kinder hier unter angemessenen Bedingungen aufwachsen können.»

*Spitzname