Nigeria: Ärzte ohne Grenzen warnt vor humanitärer Katastrophe in Borno
© Nasir Ghafoor/MSF
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Seit Mai verzeichnet Ärzte ohne Grenzen einen massiven Zustrom mangelernährter Kinder in das Ernährungszentrum in Maiduguri in Nigeria, was auf eine alarmierende Ernährungskrise im Bundesstaat Borno hindeutet. Ärzte ohne Grenzen fordert dringend eine Aufstockung der humanitären Hilfe.
«Es ist von entscheidender Bedeutung, dass jetzt – vor dem saisonal bedingten Anstieg der Mangelernährung in der Region – Massnahmen ergriffen werden, um eine weitere Eskalation zu vermeiden», betont Shaukat Muttaqi, Einsatzleiter in Nigeria. «Wir stehen erst ganz am Anfang der saisonalen Ernährungskrise und schon jetzt ist unsere Einrichtung überlastet. Die bisherigen Trends weisen darauf hin, dass das Schlimmste noch bevorsteht. Wenn nicht dringend Schritte unternommen werden, um sich auf den bevorstehenden Höhepunkt vorzubereiten, wird es in Maiduguri zu Todesfällen kommen.»
Doppelt so viele mangelernährte Kinder wie im Vorjahr
Ärzte ohne Grenzen hat bisher 2140 mangelernährte Kinder im therapeutischen Ernährungszentrum aufgenommen – etwa 50 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Sechs Wochen lang, im Mai und Juni, waren es mehr mangelernährte Patient:innen als jemals zuvor seit der Eröffnung des Projekts im Jahr 2017. Bis Mai verzeichnete das ambulante therapeutische Ernährungsprogramm einen 25-prozentigen Anstieg im Vergleich zum letzten Jahr. Daher hat Ärzte ohne Grenzen die bestehende Kapazität von 120 auf 200 Betten erweitert. Trotz dieser Notmassnahme gab es im Juni an einigen Tagen nicht genügend Betten für alle Kinder.
Auch andere humanitäre Organisationen sind an ihre Grenzen gestossen. In einigen Fällen mussten Organisationen aufgrund fehlender Mittel ihre Hilfeleistungen einschränken – so wurden unter anderem 16 dringend benötigte ambulante therapeutische Ernährungszentren geschlossen. Wenn sich die derzeitige Entwicklung fortsetzt, werden die noch bestehenden Kliniken überlastet und noch mehr Kinder vom Tod bedroht sein.
Am dringendsten braucht es mehr Spitalbetten zur Behandlung von stark mangelernährten Kindern.
«Parallel dazu müssen jedoch auch die Massnahmen auf Gemeindeebene ausgeweitet werden, um einem möglichen Worst-Case-Szenario zuvorzukommen», fährt Muttaqi fort. «Das bedeutet etwa den Ausbau von ambulanten Ernährungsprogrammen, die Prävention anderer Krankheiten durch Immunisierungen sowie ein verbesserter Zugang zu Wasser und Hygiene.»
Mangelernährung ist ein chronisches Problem im Bundesstaat Borno. Bevölkerungsvertreibungen, die schlechte Sicherheitslage, Armut und der mangelnde Zugang zu Grundversorgung verschärfen die Situation. Erschwerend kommen Ausbrüche von Krankheiten wie Cholera oder Masern sowie Malaria hinzu, wo es an Impfangeboten und Präventionsmassnahmen mangelt. Am höchsten sind die Mangelernährungszahlen üblicherweise zwischen Juni und September. Es ist jene Phase zwischen der Erntezeit und der Aussaat.
«Nachdem sich die Jahreszeit mit den üblicherweise höchsten Mangelernährungszahlen nun ihrem Höhepunkt nähert, stehen wir in Borno vor einer Katastrophe, die tausende Kinderleben in Gefahr bringen könnte», betont Htet Aung Kyi, die als Ärztin und medizinische Koordinatorin für Ärzte ohne Grenzen in Nigeria im Einsatz ist. «Wir dürfen keine Zeit verlieren. Die humanitäre Hilfe muss umgehend aufgestockt und Mangelernährung bekämpft werden. Gleichzeitig müssen andere Gesundheitsrisiken wie Masern oder Cholera präventiv gemindert werden.»
© Nasir Ghafoor/MSF