Nordwestsyrien: «Die Gesundheitseinrichtungen sind überlastet und unterfinanziert»

Hamam Camp in Jindires. Aleppo, Nordsyrien, März 2023.

Syrien2 Min.

Wochen nach den Erdbeben am 6. Februar 2023 erleben die Teams von Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) die Auswirkungen der Zerstörung. Die Folgen bringen das Gesundheitssystem im Nordwesten Syriens an seine Grenzen. 55 Gesundheitseinrichtungen wurden beschädigt, in 15 davon musste der Betrieb eingestellt werden. Das Personal arbeitet teilweise in provisorischen Zelten. Der Zugang der Bevölkerung zu medizinischer Versorgung ist stark eingeschränkt.

«Die Gesundheitseinrichtungen sind überlastet und unterfinanziert», sagt Enrique Garcia, Projektkoordinator im Norden Aleppos. «Das Personal arbeitet teilweise in provisorischen Zelten und verfügt nicht über ausreichend medizinisches Material, um die Bedürfnisse der Menschen zu decken.»

Die Stadt Jindires in der Provinz Aleppo gehört zu den Regionen, die am schwersten betroffen ist. 90 Prozent der Gebäude wurden beschädigt, 60 Prozent zerstört. «Darunter befindet sich auch das von unseren Teams unterstützte Entbindungszentrum, in dem sichere Entbindungen durchgeführt wurden, sowie Notkaiserschnitte und die Versorgung von Neugeborenen.»

In Zusammenarbeit mit einer lokalen Organisation haben wir, neben der zerstörten Einrichtung, Behandlungsstationen in Zelten eingerichtet, in denen Schwangere entbinden und Kinder medizinisch versorgt werden können. In diesem Feldspital wurden bereits mehr als 1.000 Patient:innen behandelt. Wenn sie eine Spezialbehandlung brauchen, werden sie in andere Spitäler verlegt. In einem Vertriebenencamp für 270 Familien, die bei dem Beben obdachlos geworden sind, bieten unsere Teams medizinische und psychosoziale Versorgung in einer mobilen Klinik an. 

«Die gesamte Bevölkerung in Jindires ist vertrieben worden», sagt Garcia. 

Die Menschen leben jetzt im Lager oder in Zelten neben ihren zerstörten Häusern. Gemeinsam mit unserem lokalen Partner versorgen wir sie mit dem Nötigsten.

Enrique Garcias, Projektkoordinator in Nord-Aleppo, Nordsyrien.

Unsere Teams unterstützten das Gesundheitssystem, das infolge von 12 Jahren Krieg ohnehin zerrüttet ist, schon vor den Erdbeben. Spitäler müssen sich häufig Personal teilen, um funktionsfähig zu bleiben. In den meisten Gesundheitseinrichtungen herrscht regelmässig ein Mangel an wichtigen Medikamenten und medizinischem Material. Gleich nach den Beben starteten wir eine Soforthilfe zur Unterstützung von Spitälern, damit sie den Ansturm von Verwundeten bewältigen konnten. 

Heute ist eine grössere und umfassendere Reaktion erforderlich, um die Kapazitäten des Gesundheitssystems wiederherzustellen und eine rechtzeitige medizinische Versorgung der Menschen im Nordwesten Syriens zu sichern. «Der Bedarf an zusätzlicher Unterstützung ist dringend», sagt Garcia.  

Trotz der schwierigen Bedingungen arbeitet das Gesundheitspersonal in Jindires Tag und Nacht, während es von den Beben selbst betroffen ist.

Ich habe gesehen, wie eine Hebamme, die selbst obdachlos geworden war, Patientinnen in ihrem Zelt im Camp empfing. Ich sah eine Apothekerin, die ihr Baby mit zur Arbeit im Gesundheitszentrum brachte, weil sie noch stillte.

Enrique Garcias, Projektkoordinator in Nord-Aleppo, Nordsyrien.

Unsere Teams arbeiten daran, die Hilfe in den Provinzen Aleppo und Idlib weiter den Bedürfnissen anzupassen.