Wir fordern einen sofortigen Waffenstillstand in Gaza, um humanitäre Hilfe zu ermöglichen
© Mohammed Abed
Palästinensische Autonomiegebiete3 Min.
Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) fordert in Gaza dringend einen Waffenstillstand, um weitere Todesfälle zu verhindern und humanitäre Hilfslieferungen zu ermöglichen. Seit Freitag, 27. Oktober findet der Beschuss des Gazastreifens durch die israelische Armee in noch nie dagewesener Härte statt. Die Zivilbevölkerung ist der Situation schutzlos ausgeliefert. Millionen von Menschen leiden unter der unmenschlichen Belagerung – die nach dem humanitären Völkerrecht verboten ist.
Die Reaktion der Regierungen weltweit ist zu schwach und zu langsam. Die unverbindliche UN-Resolution für einen humanitären Waffenstillstand hat nichts dazu beigetragen, um die wahllose Gewalt gegen die Bevölkerung aufzuhalten. Die internationale Gemeinschaft muss schärfere Massnahmen ergreifen, um Israel dazu zu bringen, das Blutvergiessen zu beenden. Menschen werden getötet und aus ihrem Zuhause vertrieben; Wasser und Treibstoff gehen aus. Spitäler haben ihre Vorräte an medizinischem Material bald aufgebraucht. Die Gräueltaten in Gaza sind von noch nie dagewesenem Ausmass.
Die Menschen sind den andauernden Bombardierungen hilflos ausgesetzt. Familien können sich vor dem Dauerbeschuss nirgendwo in Sicherheit bringen. Wir brauchen sofort einen Waffenstillstand. In Gaza braucht es dringend Wasser, Nahrung, Medikamente und humanitäre Hilfsgüter.
Der totale Kommunikationsausfall am 27. Oktober schränkte die Möglichkeiten zur Koordinierung und Bereitstellung humanitärer und medizinischer Hilfe weiter ein. Menschen, die unter den Trümmern liegen, Frauen, die kurz vor der Entbindung stehen, oder ältere Menschen haben keine Möglichkeit, medizinische Hilfe aufzusuchen. Wegen des Kommunikationsausfalls hat Ärzte ohne Grenzen den Kontakt mit ihren palästinensischen Mitarbeitenden verloren.
Im ganzen Gazastreifen stossen die Kapazitäten des Gesundheitssystems an ihre Grenzen; die etwa 3500 Spitalbetten vermögen den Bedarf an dringender medizinischer Versorgung bei Weitem nicht abzudecken. So viele Opfer in so kurzer Zeit gab es noch nie zuvor, auch bei vorherigen Grossoffensiven Israels nicht.
Die Spitäler werden von Verletzten überschwemmt, Amputationen und Operationen werden ohne Narkose durchgeführt und in den Leichenhallen stapeln sich die Leichen.
Medizinische Einrichtungen wie das Al-Shifa-Spital in Gaza-Stadt, wo unsere palästinensischen Kolleg:innen weiterhin arbeiten, sind zum Bersten voll. Befehle des israelischen Militärs, diese zu evakuieren, sind unmöglich und gefährlich. Das Spital ist nicht nur voll belegt mit Patient:innen, sondern ist auch für zehntausende Menschen zu einem Zufluchtsort geworden. Nach dem humanitären Völkerrecht müssen Patient:innen, medizinisches Personal und Gesundheitseinrichtungen jederzeit geschützt werden.
Millionen von Menschen leiden unter der unmenschlichen Belagerung – die nach dem humanitären Völkerrecht verboten ist. Die israelischen Behörden verhindern weiterhin die Einfuhr von Treibstoff in den Gazastreifen, der für den Betrieb der Spitäler und der Entsalzungsanlagen benötigt wird, um sauberes Trinkwasser zu erhalten. Am vergangenen Freitagabend erreichte die Zahl der Todesopfer gemäss den lokalen Gesundheitsbehörden mehr als 8300, die Zahl der Verletzten etwa 21 000. Die Zahlen dürften seither noch weiter gestiegen sein. Die Belagerung treibt die Zahl der Todesopfer weiter in die Höhe, da das medizinische Personal entscheiden muss, wen es behandelt und wen nicht, und die Menschen keinen Zugang zu Nahrung, Wasser und Medikamenten haben.
Vor dem 7. Oktober passierten jeden Tag zwischen 300 und 500 Lastwagen mit Hilfsgütern die Grenze in den Gazastreifen, wo die meisten Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen waren. Obschon mittlerweile der Grenzübergang «Rafah» offen ist, haben seit dem 20. Oktober erst 143 Lastwagen die Grenze überquert. Das ist bei weitem nicht genug.
Menschen, die sich ausserhalb des Gazastreifens in Sicherheit bringen wollen, sollen dies tun dürfen, mit der Option, später wieder zurückzukommen. Unser internationales Personal, das vor dem Krieg in Gaza tätig war, ist nun im Süden stationiert und nicht mehr in der Lage, humanitäre Aktivitäten zu koordinieren. Es muss ihm auch erlaubt sein, nach Ägypten einzureisen.
Einige der rund 300 palästinensischen Mitarbeitenden von Ärzte ohne Grenzen sind auch in den Süden des Gazastreifens gegangen, um ihre Familien vor den Bombardierungen zu schützen. Viele andere palästinensische Kolleg:innen arbeiten weiterhin in Spitälern und im gesamten Gazastreifen, obschon der Schutz der medizinischen Einrichtungen und des Personals nicht gewährleistet ist.
26 Tonnen medizinische Hilfgüter in den Gazastreifen gesendet
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