Grossoffensive im Westjordanland: Wir verurteilen den verweigerten Zugang für medizinische Hilfe in Dschenin

Mitarbeiter:innen im Spital von Jenin

Palästinensische Autonomiegebiete2 Min.

Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) leistet derzeit medizinische Nothilfe in der Stadt Dschenin im nördlichen Westjordanland. Israelische Streitkräfte hatten zuvor eine gross angelegte Razzia im Geflüchtetenlager der Stadt durchgeführt. Es handelt sich um die grösste Militäroffensive im Westjordanland seit 2002. Bei dem Angriff sollen mindestens acht Menschen getötet und 91 weitere verletzt worden sein, viele von ihnen haben Wunden durch Kugeln und Granaten davongetragen.

Auch Gesundheitseinrichtungen wurden im Zuge der Razzia beschädigt; die medizinische Versorgung ist eingeschränkt. Mehrere Gaskanister landeten im Innenhof des Khalil-Suleiman-Spitals, in dem Mitarbeitende von uns bereits kurz nach Mitternacht Patient:innen mit Schussverletzungen behandelten.

Die Angriffe in Dschenin werden häufiger und heftiger. Wir haben mehrere Patient:innen mit Schusswunden am Kopf behandelt und 55 Verwundete aufgenommen.

Jovana Arsenijevic, Einsatz-Koordinatorin vor Ort

Verschiedene Strassen, die  zum Geflüchtetencamp in Dschenin führen, wurden mit Bulldozern zerstört. So ist es für Krankenwagen nahezu unmöglich, zu den Verletzten durchzudringen. Während der Razzia blieb palästinensischen Sanitäter:innen nichts anderes übrig, als sich trotz Schiessereien und Drohnenangriffen zu Fuss Zugang in das Gebiet zu verschaffen. Sämtliche Zugangswege zum Camp wurden für die Dauer der Militäroperation blockiert. Dabei benötigen viele Patient:innen dort dringend medizinische Hilfe.

«Wir sind seit 15 Stunden im Einsatz und noch immer strömen Patient:innen zu uns. Diese Militäroperation hält besonders lange an. Noch immer warten viele Betroffene auf Hilfe. Das Gesundheitspersonal muss ungehinderten Zugang zu den Patient:innen erhalten», so Arsenijevic weiter.

Mit der Razzia vom 3. Juli stieg die Zahl der Todesopfer bei israelischen Militäroperationen in Dschenin in diesem Jahr auf 48. Je mehr Razzien es gibt, desto stärker wird die medizinische Versorgung behindert. Die israelischen Streitkräfte greifen bei ihren Razzien in Dschenin zunehmend auf Luftunterstützung zurück – ein besorgniserregender Trend: Bis heute wurden mindestens zehn Luftangriffe in Dschenin gemeldet.

«Die Angriffe auf das Lager Dschenin folgen einem inzwischen bekannten Muster: Krankenwagen werden von gepanzerten Fahrzeugen gerammt; Patient:innen und medizinischem Personal wird standardmässig der Zugang zum Camp verweigert. Kampfhubschrauber und Drohnenangriffe in einem so dicht besiedelten Gebiet steigern die Gewalt deutlich. Das ist absolut inakzeptabel», so Arsenijevic.

«Das Spital, in dem wir Patient:innen behandeln, wurde von Tränengaskanistern getroffen. Dabei ist es so wichtig, dass medizinische Einrichtungen, Krankenwagen und Patient:innen respektiert und mit allen Mitteln geschützt werden.»

Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) ist seit 1989 in den besetzten palästinensischen Gebieten tätig und leistet derzeit medizinische humanitäre Hilfe in Dschenin, Nablus, Hebron und Gaza.