Mittelmeer: Zehn Tote bei Rettungsaktion geborgen
© Virginie Nguyen Hoang/ HUMA
Libyen2 Min.
Ein Team von Ärzte ohne Grenzen hat am 16. November zehn Menschen tot im Unterdeck eines überfüllten Holzbootes gefunden. Die Besatzung des Such- und Rettungsschiffs Geo Barents erreichte die Schiffbrüchigen zu spät und konnte die Tragödie nicht verhindern. Insgesamt wurden 186 Menschen innerhalb von 24 Stunden gerettet. Vor dem Rettungseinsatz hatten die Organisationen Alarm Phone und Seabird auf das in Seenot geratene Boot aufmerksam gemacht.
Im Verlauf der stundenlangen Rettungsaktion auf See, die weniger als 30 Seemeilen vor der libyschen Küste stattfand, informierten Überlebende des Holzbootes das Team von Ärzte ohne Grenzen über weitere auf dem Unterdeck eingepferchte Menschen, die auf Ansprache nicht reagierten.
Eine erneute Tragödie, die hätte verhindert werden können
«Nachdem wir 99 Menschen gerettet hatten, sahen wir die zehn Leichen auf dem Grund des Bootes», sagt Fulvia Conte, stellvertretende Leiterin der Such- und Rettungsteams an Bord der Geo Barents. «Wir haben fast zwei Stunden gebraucht, um sie zu bergen und an Bord zu bringen, damit sie nach ihrer Ankunft an Land ein würdiges Begräbnis erhalten können.» Überlebende berichteten, dass die Menschen mehr als 13 Stunden auf dem beengten Unterdeck des Schiffes verbracht hatten, wo es stark nach Treibstoff roch. Vermutlich sind sie erstickt.
Abdoulaye (Name geändert), einer der letzten Überlebenden, die das Holzboot verliessen, hatte kaum Zeit zu begreifen, was mit seinen Mitreisenden geschehen war, bevor die Retter ihm in das Rettungsboot halfen. «Lassen Sie mich ihre Leichen sehen», bat Abdoulaye, als er auf der Geo Barents ankam. «Das sind meine Brüder, wir kommen vom selben Ort, wir sind zusammen durch Libyen gefahren. Ich muss ihren Familien sagen, dass sie tot sind.» Zwischen dem 15. und 16. November hat Ärzte ohne Grenzen insgesamt drei Rettungsaktionen in der maltesischen und libyschen Such- und Rettungszone durchgeführt. Obwohl die geretteten Menschen vor Erleichterung und Freude geschrien haben, als sie an Bord der Geo Barents ankamen, zeigten sie Anzeichen von akutem Stress und Trauma.
«An einem Tag wie diesem, an dem wir zehn Leichen an Bord bringen müssen, wird einmal mehr deutlich, dass Europa nicht bereit ist, die dringend benötigten Such- und Rettungskapazitäten im zentralen Mittelmeer bereitzustellen», sagt Caroline Willemen, Projektkoordinatorin auf der Geo Barents. «Die Menschen erleiden in Libyen schreckliche Menschenrechtsverletzungen, und oft ist ihre einzige Rettung die Flucht und eine gefährliche Reise über das zentrale Mittelmeer.»
«Es ist die tödlichste Migrationsroute geworden und es ist beschämend», sagt Willemen. «Mit 186 Überlebenden an Bord, darunter auch Angehörige einiger der Verstorbenen, und Menschen, die stundenlang auf dem Unterdeck des Bootes zwischen Leichen unterwegs waren, wird die Geo Barents dringend nach einem sicheren Ort suchen. Wir müssen diese Gruppe extrem gestresster und wahrscheinlich traumatisierter Menschen an Land bringen.»
© Virginie Nguyen Hoang/ HUMA