Syrien: Bewaffnete dringen in Spitäler ein
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MSF hat als Reaktion auf mehrere Übergriffe von Bewaffneten auf provisorische Kliniken im Osten von Damaskus die medizinische Unterstützung von Einrichtungen in der Region Ost-Ghuta ausgesetzt. Nachdem innerhalb des von Regierungstruppen belagerten Gebiets schwere Kämpfe zwischen bewaffneten Oppositionsgruppen ausgebrochen waren, verstiessen Kämpfer am Wochenende gegen die Neutralität mehrerer medizinischer Einrichtungen.
Mediziner in den von Médecins Sans Frontières/Ärzte ohne Grenzen (MSF) unterstützten Gesundheitseinrichtungen berichteten, dass am Samstag dreissig maskierte Männer das Spital im Viertel Hasse auf der Suche nach bestimmten Verwundeten stürmten und einen Krankenwagen entwendeten. Zudem wurde die Gesundheitsstation in Aftares von Kugeln getroffen, als in der Umgebung zwei Tage lang gekämpft wurde. Die Mediziner steckten fest und konnten die Verwundeten nicht bergen, obwohl einige in Sichtweite lagen.
Spitäler erneut unter Beschuss
«Im Namen der Ärzte, die wir unterstützen, verurteilt MSF aufs Schärfste das Eindringen von bewaffneten, maskierten Männern in eine Gesundheitseinrichtung, die Einschüchterung des medizinischen Personals und die Beschlagnahmung eines Krankenwagens», bekräftigt Brice de le Vingne, Leiter der Projektabteilung von MSF in Brüssel. «Ebenso sind die anhaltenden, schweren Schiessereien zweier bewaffneter Gruppen rund um eine medizinische Einrichtung sehr besorgniserregend. Unter dem ohrenbetäubenden Lärm der Schüsse sagten uns die Krankenpfleger, welche die kleine Gesundheitsstation in Aftares betreiben, dass ihre Einrichtung von Kugeln getroffen wurde. Sie haben es geschafft, ein paar Verwundete zu behandeln, aber sie können nur kleinere chirurgische Eingriffe vornehmen und Verbände anlegen. Es war ihnen aber nicht möglich, eine Verlegung ihrer Patienten in besser ausgestattete Einrichtungen mit den bewaffneten Gruppen auszuhandeln.»
MSF fordert von den bewaffneten Gruppen, dass sie ihre Waffen am Eingang der medizinischen Einrichtungen abgeben, dass sie keine Übergriffe auf Patienten verüben, Vorkehrungen gegen den Beschuss von Gesundheitseinrichtungen treffen, Verwundetentransporte und Krankenwagen durchlassen, die Evakuierung von Patienten in sichere Gebiete ermöglichen und in keinem Fall medizinische Einrichtungen zu militärischen Zwecken missbrauchen.
Neutralität und Menschlichkeit wahren
«Medizinische Einrichtungen sind nach internationalem Recht geschützt und müssen im Krieg ein Ort der Menschlichkeit bleiben, in denen alle zivilen und nicht-zivilen Opfer allein auf der Grundlage ihres medizinischen Bedarfs behandelt werden», sagt de le Vingne. «Wir haben unmissverständliche Forderungen an die bewaffneten Gruppen in Ost-Ghuta gestellt und klar gemacht, dass die umfangreiche medizinische Unterstützung von MSF in diesem Gebiet so lange ausgesetzt wird, bis es deutliche Zeichen gibt, dass der Schutz von Patienten, medizinischen Einrichtungen und medizinischem Personal künftig gewahrt wird.»
Das Gebiet Ost-Ghuta im Osten von Damaskus wird seit 2013 von Regierungstruppen belagert. MSF kann dort nicht mit eigenen Mitarbeitern medizinische Hilfe leisten, unterstützt aber bislang die meisten Gesundheitseinrichtungen in dem Gebiet und hat über die Jahre enge Beziehungen mit den Ärzten vor Ort aufgebaut. Die Organisation hilft ihnen, die Gesundheitseinrichtungen als Raum für neutrale medizinische Hilfe zu erhalten und hat sie mit medizinischem Material und fachlicher Beratung unterstützt. Gerade jetzt wäre medizinische Hilfe dringend nötig. Während der Kämpfe am Wochenende wurden in nur einem von MSF unterstützten Spital mehr als 100 Verwundete behandelt.
MSF betreibt im Norden Syriens vier medizinische Einrichtungen selbst und unterstützt im ganzen Land mehr als 150. Allein in Ost-Ghuta bietet MSF 19 Gesundheits- und zwei Entbindungsstationen, sieben Gesundheitszentren und fünf kleineren medizinischen Einrichtungen Unterstützung. In den drei Monaten von November 2016 bis Januar 2017 wurden in diesen Einrichtungen 291'000 Patienten in der Notaufnahme oder ambulant versorgt, 18'750 Operationen durchgeführt und 3'100 Geburten begleitet. MSF akzeptiert keine staatlichen Gelder für die Arbeit in Syrien, um ihre Unabhängigkeit von politischen Motiven kundzutun.