Coronavirus: Aktuelle Lage
© Shuk Lim Cheung/MSF
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Die Ansteckung mit dem neuen Coronavirus Sars-CoV-2 hat inzwischen globale Ausmasse angenommen. Mit Fällen in über 100 Ländern hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am 11. März Covid-19 zur Pandemie erklärt.
Während die Fälle in China rückläufig sind, nehmen die Fälle in anderen Ländern auf der ganzen Welt, einschliesslich der Schweiz, exponentiell zu.
Was tut Ärzte ohne Grenzen gegen das Coronavirus?
Der Schutz von Patientinnen und Pateinten als auch von den Mitarbeitenden im Gesundheitswesen ist essenziell, deshalb bereiten wir uns auch auf mögliche Fälle von Covid-19 in unseren Projekten vor. In bereits betroffenen Regionen stellen wir sicher, dass Massnahmen zur Infektionskontrolle getroffen, Screenings durchgeführt und Isolationsbereiche eingerichtet werden sowie Aufklärungsaktivitäten stattfinden. In den meisten Ländern arbeiten wir mit der WHO und den Gesundheitsministerien zusammen, um zu evaluieren, wie wir bei Bedarf helfen können. Zudem bieten Schulungen zur Infektionskontrolle für Gesundheitseinrichtungen an. Durch das Ausmass der Covid-19-Pandemie sind unsere Möglichkeiten angemessen zu reagieren jedoch eingeschränkt.
In Italien unterstützen wir vier Spitäler im Zentrum des Ausbruchs bei der Infektionskontrolle und der Versorgung von Patientinnen und Patienten. Unsere Teams sind tätig in den Städten Lodi, Codogno, Casalpusterlengo und Sant’Angelo Lodigiano. Wir haben dorthin Spezialistinnen und Spezialisten für Infektionskrankheiten und Anästhesie sowie Pflegepersonal und Logistiker entsandt, die ihre Erfahrungen bei der Bekämpfung von Epidemien einbringen und so einen Beitrag zum umfangreichen Einsatz des italienischen Gesundheitspersonals leisten. Wir helfen unter anderem bei der Behandlung von Erkrankten und unterstützen die Massnahmen zur Infektionskontrolle. Das zusätzliche Personal ermöglicht die Aufstockung um 20 Betten, die aufgrund von Personalmangel bisher nicht für die Versorgung der Erkrankten eingesetzt werden konnten.
In Hong Kong setzen wir die Aufklärungsarbeit und psychosoziale Unterstützung für besonders gefährdete Gruppen fort.
Im Iran, der stark betroffen ist, haben wir den Behörden unsere Unterstützung angeboten. Ob wir ähnliche Angebote in anderen Ländern machen können, hängt von der weiteren Ausbreitung und von unseren Kapazitäten ab.
Wie wirkt sich das Coronavirus auf unsere regulären Projekte aus?
In unseren bestehenden Hilfsprogrammen treffen wir Vorkehrungen zur Versorgung von Erkrankten, vor allem in Regionen mit erhöhter Wahrscheinlichkeit einer Ausbreitung der Krankheit. Wir treffen Massnahmen zur Infektionskontrolle, bereiten Screenings bei der Patientenaufnahme vor, richten Isolationsbereiche ein und klären über die Krankheit auf. Wir setzen alles daran, dass die Einrichtungen, die wir unterstützen, weiterhin funktionstüchtig bleiben.
Besondere Schwierigkeiten ergeben sich derzeit durch eingeschränkte Reisemöglichkeiten unserer Mitarbeitenden sowie durch den weltweiten Druck auf die Produktion einiger medizinischer Güter, insbesondere auf die Herstellung von Schutzausstattung im Gesundheitswesen. Die künftige Versorgung mit elementaren Produkten wie OP-Schutzmasken, Tupfern, Handschuhen und Chemikalien zur Diagnose von Covid-19 bereitet uns Sorge. Es besteht auch die Gefahr von Versorgungsengpässen wegen der stockenden Produktion von Generika und Problemen bei der Einfuhr lebenswichtiger Medikamente (wie Antibiotika und antiretrovirale Medikamente) aufgrund von Lockdowns, einer reduzierten Produktion von Basisprodukten, sowie Exportstopps oder Einlagerung von Medikamenten und Material zur Behandlung von Covid-19.
Welche Herausforderungen bringt die schnelle Ausbreitung des Coronavirus mit sich?
Die Covid-19-Pandemie hat, was das Ausmass und die schnelle globale Ausbreitung betrifft, enorme Auswirkungen auf die Gesundheitssysteme in den betroffenen Ländern. Ausgehend von den bisherigen Erfahrungen und Daten werden 20% der bestätigten Covid-19-Fälle schwerwiegend sein und eine langfristige stationäre Behandlung mit spezieller Betreuung benötigen. Diese Patientinnen und Patienten brauchen im Durchschnitt drei bis vier Wochen eine enge Überwachung mit intensiver Pflege, einschliesslich zusätzlicher Sauerstoffversorgung. Etwa sechs Prozent der bestätigten Fälle (rund 30% der stationär behandelten Personen) werden einen kritischen Verlauf der Erkrankung aufweisen und erfordern eine spezialisierte Intensivpflege wie etwa mechanische Beatmung für mehrere Wochen. Eine so lange stationäre Versorgung so vieler Menschen mit so hohem Pflegegrad ist selbst für modernste Gesundheitssysteme eine grosse Herausforderung.
Wir sorgen uns um die Folgen für Länder mit schwächeren Gesundheitssystemen, wenn dort viele Patientinnen und Patienten mit Covid-19 behandelt werden müssen. In vielen Gebieten, in denen wir tätig sind, gibt es sehr wenige medizinische Akteure und die Kapazitäten sind begrenzt im Falle eines riesigen Zustroms on Patientinnen und Patienten. Wir müssen sicherstellen, dass weiterhin alle Betroffenen die nötige medizinische Versorgung erhalten. Gleichzeitig arbeiten wir daran, dass unsere medizinischen Teams vorbereitet sind, um potenzielle Covid-19-Fälle zu bewältigen.
Wir wissen, dass das Vertrauen in entsprechende Schutzmassnahmen und den Weisungen der Gesundheitsbehörden eine wichtige Komponente in der Bekämpfung von Epidemien ist. Es bedarf einer klaren, zeitnahen, massvollen und ehrlichen Kommunikation. Die Menschen müssen in die Lage versetzt werden, sich selbst zu schützen.
© Shuk Lim Cheung/MSF