«Die Menschen haben wieder Träume für die Zukunft–gibt es ein besseres Geschenk?»
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Mosambik5 Min.
Ärzte ohne Grenzen übergibt die Leitung des CRAM in Maputo, Mosambik, an die Behörden. Dort erhalten HIV-Patienten im fortgeschrittenen Stadium innovative Behandlungen.
«Mir fehlen die Worte, um zu beschreiben, was das CRAM für Mosambik bedeutet. Es hat im Leben unserer Patientinnen und Patienten einen grossen Unterschied gemacht», sagt der Leiter Pflege, Rodrigues Ernesto Guambe, der von allen nur Guambe genannt wird. Anfang 2021 hat Ärzte ohne Grenzen die Aktivitäten am Centro de Referência Alto Maé (CRAM) an die Gesundheitsbehörden Mosambiks und deren Partner übergeben.
2010 rief die Organisation mithilfe der Gesundheitsbehörden vor Ort das CRAM in Maputo ins Leben, um Menschen mit einer HIV-Erkrankung im fortgeschrittenen Stadium eine bessere Versorgung zu ermöglichen. Es war die erste und bis dahin einzige Einrichtung des Landes, wo Patienten mit schweren Beschwerden in Verbindung mit HIV betreut werden, auch ohne Termin. Zehn Jahre später ist das CRAM gewachsen und hat seine Aufnahmekapazität erhöht.
Die Patientinnen und Patienten profitieren von noch mehr spezialisierten Gesundheitsleistungen. Das CRAM richtet sich an Menschen, die nach einer fehlgeschlagenen Standard-Behandlung eine spezifische andere antiretrovirale Therapie benötigen, an Kinder mit HIV-bedingten Komplikationen und Menschen, die unter anderen Infektionen leiden, die im Zuge einer HIV-Erkrankung auftreten können, wie zum Beispiel Hepatitis C oder das Kaposi-Sarkom. Nach wie vor handelt es sich um eine der wenigen Einrichtungen im Land, die Patientinnen und Patienten diese Art von Behandlung ausserhalb eines Spitals ermöglichen.
In den letzten zehn Jahren betreuten die Mitarbeitenden des CRAM rund 24 000 Patientinnen und Patienten mit HIV. Sie unterstützten sie bei Tests, Diagnose und Behandlung ihrer HIV-Erkrankung, opportunistischen Infektionen und anderen Komplikationen. Die Teams leisten medizinische Hilfe und psychologische Unterstützung, bis die Viruslast im Blut sinkt und wieder mehr CD4-Immunzellen (die Zellen, die Bakterien, Viren und andere Keime ausfindig machen und zerstören) produziert werden. HIV-positive Menschen ohne antiretrovirale Behandlung haben nur wenige CD4-Zellen, da das Virus sie angreift. Derzeit kümmert sich das CRAM um 1500 Patientinnen und Patienten. 120 von ihnen erhalten Chemotherapie für ein Kaposi-Sarkom– eine Krebserkrankung, die bei HIV-Patienten auftritt und Betroffene in Mosambik starker Stigmatisierung aussetzt.
Hausbesuche und Unterstützung durch andere Betroffene
«So etwas wie das CRAM hatte ich noch nie zuvor gesehen», sagt Guambe. «Ich hatte bereits einige Jahre in einem anderen Spital gearbeitet. Die Leistungen des CRAM wirkten bei dieser Art von Patientinnen und Patienten sehr schnell».
Viele können nicht laufen oder sind zu schwach für die regelmässigen Besuche, die für die Behandlung nötig sind. Das medizinische Team hat deshalb Verfahren erarbeitet, um diese Probleme zu lösen. So können Patientinnen und Patienten von einer Pflegefachkraft zu Hause besucht werden oder werden für Behandlungen am CRAM von einem MSF-Fahrzeug abgeholt. Auch die Unterstützung durch andere Betroffene hilft bei der Einhaltung der Therapie. «Wir haben Patienten aus dem ganzen Land, da dies die einzige Einrichtung dieser Art in ganz Mosambik ist. Das Zentrum hat das Leben vieler Menschen verbessert», so Guambe.
Neue nationale Behandlungsrichtlinien dank CRAM
Die durch diese Arbeit gewonnene medizinische Evidenz habe zudem die Einführung nationaler gesundheitlicher Richtlinien und Programme erleichtert, so Dr. Natalia Tamayo Antabak, MSF-Landeskoordinatorin in Mosambik. Dadurch könnten noch mehr Menschen im Land profitieren. «Die mosambikanischen Gesundheitsbehörden haben neue Richtlinien zur Behandlung von HIV im fortgeschrittenen Stadium, von chronischer Hepatitis sowie des Kaposi-Sarkoms umgesetzt – dies gehört zu unseren wichtigsten Errungenschaften», sagt Antabak. «Grosse Wirkung haben auch die von uns organisierten lokalen Unterstützungsgruppen gezeigt, die den Menschen helfen, ihre Therapie ein Leben lang einzuhalten – tatsächlich hat das die HIV-Behandlung in Mosambik revolutioniert.»
Das CRAM bot auch immer wieder Gelegenheiten für das lokale Personal, sich fachlich weiterzubilden. «Das CRAM ist nicht nur wichtig für die Patientinnen und Patienten, sondern auch für uns Mitarbeitende», so Guambe. «Ich konnte viel Neues über HIV lernen und habe nun einen anderen Blick auf die Krankheit, insbesondere was das fortgeschrittene Stadium betrifft».
Ehemalige MSF-Mitarbeitende stellen reibungslosen Übergang sicher
Am 1. Januar 2021 hat Ärzte ohne Grenzen nun das CRAM und dessen Aktivitäten an die Gesundheitsbehörden übergeben. Unterstützung erhalten sie vom International Training and Education Centre for Health (I-TECH), einem internationalen Netzwerk zur Förderung von gut ausgebildetem Gesundheitspersonal und starken Gesundheitssystemen, und einer lokalen Organisation, die auf HIV spezialisiert ist. Ehemalige MSF-Mitarbeitende, darunter Guambe, sind nun Teil des I-TECH-Teams, um einen reibungslosen Übergang sicherzustellen.
Sämtliche Leistungen des CRAM werden fortgeführt. Patientinnen und Patienten erhalten weiterhin eine kostenlose hochwertige Versorgung. Laut Guambe gibt es noch immer viel zu tun, da viele Menschen in Mosambik HIV noch nicht ernst genug nehmen. Dies obschon das Land zu den am stärksten von HIV/Aids betroffenen Ländern Subsahara-Afrikas gehört. 2018 lebten schätzungsweise 2,2 Millionen HIV-positive Menschen in Mosambik, wovon nur 1,2 Millionen eine Therapie erhielten. Gemäss dem UN-Programm für HIV/Aids (UNAIDS) gab es im gleichen Jahr etwa 150 000 HIV-Neuinfektionen und 54 000 Todesfälle im Zusammenhang mit Aids.
Noch immer viel Angst und Vorurteile
«Die Patientinnen und Patientinnen, die zu uns kommen, sind schon in einem fortgeschrittenen Krankheitsstadium», so Guambe. «Bevor sie zu uns kommen, wenden sich viele zuerst an traditionelle Heiler, da sie die Symptome mit Hexerei verbinden. Bis dann hat sich der Gesundheitszustand schon stark verschlechtert, vor allem bei jenen, die an einem Kaposi-Sarkom leiden. Wir müssen die Menschen darauf aufmerksam machen, dass diese Krankheiten behandelt werden können. Dazu kommt die Stigmatisierung: Einige verheimlichen ihre Symptome aus Angst, dass andere von ihrer Krankheit erfahren. Deshalb bleibt gerade im Bereich Aufklärung noch viel zu tun.»
Doch es tue sich etwas, sagt er. Das CRAM hat und wird auch weiterhin seinen Patientinnen und Patienten Hoffnung schenken. «Die Menschen haben wieder Träume für die Zukunft. Gibt es ein besseres Geschenk?»
Ärzte ohne Grenzen arbeitet seit 1984 in Mosambik und hat die Gesundheitsbehörden nach Naturkatastrophen und bei der Bekämpfung von Epidemien, insbesondere von HIV/Aids und Tuberkulose, unterstützt. Die Organisation leitet aktuell Projekte in Maputo und in den Provinzen Sofala und Cabo Delgado.
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