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Gesundheitssystem in Nord-Gaza in Trümmern

© Nour Alsaqqa/MSF
Palästinensische Autonomiegebiete2 Min.
Auch vier Wochen nach Inkrafttreten der Waffenruhe in Gaza bleibt die humanitäre Not enorm. Unsere Teams konnten den Norden des Gazastreifens wieder erreichen und ermitteln den Bedarf an humanitärer und medizinischer Hilfe. Sie sind mit mobilen Kliniken im Einsatz und verteilen Trinkwasser. Die Lage ist verheerend: Das mehrerer Monate von den israelischen Streitkräften besetzte Gebiet wurde praktisch dem Erdboden gleichgemacht. Die Spitäler wurden vollständig zerstört. Die Menschen, die zurückkehren, richten sich in den Trümmern ihrer Häuser ein. Sie haben keine andere Unterkunft bei den vorherrschenden winterlichen Verhältnissen.
Vier Wochen nach Inkrafttreten der Waffenruhe ist die humanitäre Hilfe noch immer nicht in dem Umfang angelaufen, der erforderlich ist. Im Norden des Gazastreifens, in den mehr als eine halbe Million Menschen zurückgekehrt sind, ist die Lage katastrophal. Unsere Teams arbeiten an langfristigen Lösungen. Gleichzeitig betreiben sie in Jabalia mobile Kliniken und verteilen seit dem 11. Februar in Beit Lahia Wasser
Es steht nichts mehr
Das Ausmass der Zerstörung, dem sich unsere Teams in Nord-Gaza gegenübersehen, ist enorm. «Unsere palästinensischen Kolleg:innen erkennen ihre eigenen Stadtviertel nicht mehr wieder. Wir waren bereits schockiert über den Grad der Zerstörung in Gaza-Stadt, doch als wir nach Jabalia kamen, waren wir sprachlos. Dort steht nichts mehr. Überall nur Ruinen und Verwesungsgeruch, weil noch immer Leichen unter den Trümmern begraben sind», sagt Caroline Seguin, unsere Nothilfekoordinatorin in Gaza.

Das schwer beschädigte Al-Shifa-Spital in Gaza-Stadt.
Die Menschen leben unter schrecklichen Bedingungen. Sie versuchen, sich so gut wie möglich in den Ruinen ihrer Häuser einzurichten, aber das ist extrem schwierig. Durch den Winter sind sie sehr niedrigen Temperaturen, starken Regenfällen und heftigen Winden ausgesetzt – und sie haben nicht einmal Mauern, die sie schützen könnten.
Das Gesundheitssystem liegt buchstäblich in Trümmern
«Es gibt kein Gesundheitssystem mehr in Nord-Gaza», so Caroline Seguin. Das Kamal-Adwan-Spital wurde dem Erdboden gleichgemacht, während das Al-Shifa-, das Al-Awda- und das Indonesische Spital schwer beschädigt und nur noch teilweise funktionsfähig sind. «Wir waren zutiefst schockiert, als wir feststellten, dass im Indonesischen Spital anscheinend alle medizinischen Geräte absichtlich zerstört wurden. Man fragt sich, welche Motivation dahintersteckt. Diese Geräte sind dazu da, Menschenleben zu retten», sagt Caroline Seguin weiter.

Ein Korridor im Indonesischen Spital in Jabalia, der durch eine Explosion zerstört wurde.
Die medizinische Versorgung ist im Verhältnis zum Bedarf der hunderttausenden Menschen, die im Norden des Gazastreifens leben, völlig unzureichend. So ist beispielsweise zwischen Nord-Gaza und Gaza-Stadt die Zahl der Spitalbetten von 2000 vor dem Krieg auf heute 350 gesunken.
Wir rufen erneut dazu auf, die Waffenruhe aufrechtzuerhalten und die Sicherheit der Bevölkerung im gesamten Gazastreifen zu gewährleisten.
© Nour Alsaqqa/MSF