Gesundheitsversorgung in Haiti: Es bleibt noch viel zu tun

Malheureusement, depuis trois ans, presque rien n’a changé en matière d’accès aux soins.

5 Min.

Drei Jahre nach dem Erdbeben leistet MSF weiterhin medizinische Grundversorgung für die haitianische Bevölkerung. Der Wiederaufbau geht nur schleppend voran.

Drei Jahre nach dem Erdbeben liegt das Gesundheitssystem von Haiti noch immer am Boden. Médecins Sans Frontières / Ärzte ohne Grenzen (MSF) betreibt nach wie vor vier Spitäler, die als Ersatz für die improvisierten Einrichtungen dienen, welche die medizinische Hilfsorganisation in den Tagen nach dem 12. Januar 2010 errichtet hatte. Zehntausende von Haitianern profitieren dank diesen Spitälern von kostenloser qualitativ hochwertiger Pflege. Eine Übernahme durch die lokalen Behörden scheint jedoch noch in weiter Ferne.
„Der Übergabeprozess verläuft viel zu langsam. Einerseits aufgrund der geschwächten haitianischen Einrichtungen, andererseits wegen nicht eingehaltener Versprechen von Geldgebern sowie unklarer Prioritäten von Seiten der Regierung und der internationalen Gemeinschaft“, erklärt Joan Arnan, Einsatzleiter von MSF in Haiti. Am 12. Januar 2010 wurde die Mehrzahl der Spitäler in der betroffenen Zone entweder zerstört oder schwer beschädigt.

Ungenügende Reaktion auf Cholera

Die mangelhafte Reaktion auf die Cholera-Epidemie – die andere grosse Katastrophe, von der Haiti 2010 heimgesucht wurde – macht die Verzögerungen beim Wiederaufbau des Gesundheitssystems deutlich. Haiti hat immer wieder mit Ausbrüchen der Krankheit zu kämpfen. Im Verlauf des Jahres 2012 wurden über 22'900 Cholera-Patienten von MSF in Port-au-Prince und Léogâne behandelt. Nach den Hurrikanen Isaac und Sandy stieg die Zahl der Fälle im vergangenen Herbst weiter an, weil durch die Regenfälle die offenen Abwasserkanäle überschwappten und sich die krankheitsübertragenden Bakterien somit weiter ausbreiten konnten. Obwohl seit kurzem ein Rückgang zu verzeichnen ist, zählte MSF Ende 2012 immer noch über 500 Krankheitsfälle pro Woche.
„Während die Mehrheit der Bevölkerung keinen Zugang zu Trinkwasser und sanitären Einrichtungen hat, stellt die Behandlung der Cholera noch immer keinen richtigen Bestandteil innerhalb der wenigen verbliebenen öffentlichen Gesundheitseinrichtungen dar“, sagt Joan Arnan. In der Stadt Léogâne beispielsweise, rund dreissig Kilometer ausserhalb von Port-au-Prince, haben sich mehrere im Kampf gegen die Epidemie aktive humanitäre Organisationen wegen zu knappen finanziellen Mitteln zurückgezogen. In der Folge stieg die Anzahl Patienten in der Behandlungseinheit von MSF an. In Port-au-Prince zeigt sich ein ähnliches Bild: Die Cholera-Behandlungszentren von MSF Delmas und Carrefour sind die einzige Anlaufstelle für die Kranken. Anstelle eines Rückgangs stellt MSF deshalb bei den Einweisungen eine Zunahme fest, was eine direkte Konsequenz des Weggangs von anderen Organisationen ist.

Eine einzige Baustelle

Die Stadt Léogâne, die sich am nächsten vom Epizentrum befindet, wurde grösstenteils vom Beben zerstört und gleicht heute einer riesigen Baustelle, wo die Mehrheit der Überlebenden ausquartiert wurde. Das Spital von MSF jedoch ist die einzige Einrichtung in der Region, die kostenlose Behandlung anbietet, im Notfall rund um die Uhr.
MSF hat direkt nach dem Erdbeben in Léogâne ein Zeltspital errichtet, um die Überlebenden zu behandeln. Die provisorische Einrichtung ersetzte man später durch ein Containerspital, das im September 2010 eröffnet wurde. Neben der Entbindungsstation verfügt das Spital über eine medizinische Notaufnahme und eine chirurgische Abteilung. Neben Kaiserschnitten gehören Strassenunfälle zu den häufigsten Gründen für chirurgische Eingriffe. In einem weiteren Gebäude werden schwangere Frauen und Kinder unter fünf Jahren behandelt.
Während MSF zum Ziel hat, die Kontrolle schrittweise an das Ministerium für öffentliche Gesundheit in Léogâne zu übergeben, zieht das Spital der Organisation jedoch immer mehr Patienten an. Einige von ihnen kommen sogar von Port-au-Prince, was den Mangel an adäquater Versorgung aufzeigt, der auch in der Hauptstadt herrscht. Die Entbindungsstation verzeichnet im Durchschnitt 600 Geburten pro Monat mit Spitzen von über 800 Niederkünften. Die anderen medizinischen Einrichtungen sind immer wieder gezwungen, Patienten in das Spital von MSF zu überweisen, ob es sich dabei um einfache Geburten handelt oder um Fälle mit Komplikationen, wo ein Kaiserschnitt erforderlich ist. Ein Operationssaal ist ständig in Betrieb.
„Das Spital füllt eine Lücke, die schon vor dem Beben bestand. So hatte die Mehrheit der Haitianer bereits vor dem 12. Januar 2010 keinen Zugang zu medizinischer Versorgung, sei es mangels Angeboten oder weil sie sie sich nicht leisten konnten“, führt Joan Arnan aus. „Wir sind gekommen, um in der Katastrophe Nothilfe zu leisten, bis der Wiederaufbau in Gang kommt und die Strukturen der öffentlichen Gesundheit das Zepter übernehmen. Leider hat sich in den letzten drei Jahren hinsichtlich des Zugangs zu medizinischer Versorgung kaum etwas getan.“

Übersicht über die Projekte von MSF in Haiti

MSF hat ihre ersten Projekte in Haiti 1991 ins Leben gerufen und wurde seither mehrmals anlässlich von Naturkatastrophen oder Krisensituationen im Land aktiv.
In den zehn Monaten nach dem Beben vom 12. Januar 2010 haben die Teams von MSF 358'000 Patienten behandelt, 16'570 chirurgische Eingriffe durchgeführt und 15'100 Geburten betreut. Über 80 Prozent der 145 Millionen Schweizerfranken, welche MSF für ihre Noteinsätze in Haiti 2010 gesammelt hatte, wurden im Verlauf dieser Periode eingesetzt.
Seit Ende Oktober 2010 engagiert sich MSF auch im Kampf gegen die Cholera-Epidemie. Innerhalb eines Jahres wurden 170'000 Patienten zum Kostenpunkt von 42 Millionen Schweizerfranken behandelt.
Aktuell betreibt MSF noch immer vier Spitäler in der vom Erdbeben betroffenen Zone: das Referenzzentrum für Geburtshilfe im Quartier von Delmas mit 110 Betten, eröffnet im April 2011; eine Traumaabteilung mit 130 Betten, die im Mai 2011 nach Drouillard, nahe dem Elendsviertel Cité Soleil, verlegt wurde; das chirurgische Zentrum Nap Kenbe mit 110 Betten in der Industriezone Tabarre, eröffnet im Februar 2012 sowie das Spital von Léogâne, das 160 Betten umfasst. Insgesamt wurden 2012 ungefähr 30'000 Patienten in diesen Spitälern aufgenommen.
Für MSF sind zurzeit rund 2'500 Personen in Haiti im Einsatz, davon 95 Prozent Haitianer. Die Personalkosten belaufen sich auf ungefähr die Hälfte des Jahresgesamtbudgets von 48 Millionen Schweizerfranken .