Interview: Drei Szenarien, wie sich der Ebola-Ausbruch entwickeln könnte
© Sam Taylor/MSF
Uganda5 Min.
In Uganda ist seit über zwei Wochen kein neuer Ebola-Fall mehr registriert worden. Ärzte ohne Grenzen / Médecins Sans Frontières (MSF) beobachtet die Situation vor Ort weiterhin genau und betreibt mehrere Einrichtungen zur Ebola-Bekämpfung vor Ort. Der Ausbruch war am 20. September 2022 vom ugandischen Gesundheitsministerium offiziell bestätigt worden. Seitdem wurden 141 Fälle bestätigt und 55 Todesfälle gezählt.
Denis Ardiet arbeitet für Epicentre, die epidemiologische Abteilung von Ärzte ohne Grenzen. Er koordiniert derzeit ein Team von sieben Epidemiolog:innen, die an der laufenden Ebola-Bekämpfung in Uganda beteiligt sind. Zu seinen Aufgaben gehört die genaue Analyse der epidemiologischen Situation und der verschiedenen möglichen Szenarien bei diesem Ausbruch, um die Reaktion von Ärzte ohne Grenzen und des ugandischen Gesundheitsministeriums zu verbessern.
Im folgenden Interview skizziert Denis Ardiet mögliche Zukunftsszenarien.
Wie ist die aktuelle Lage bezüglich des Ebola-Ausbruchs in Uganda?
Denis Ardiet: Es gab bislang zwei Höhepunkte während des Ausbruchs. Der erste war im September im Bezirk Mubende, dem ersten Epizentrum des Ausbruchs, und ein weiterer folgte im benachbarten Bezirk Kassanda. Während die Fälle in diesen beiden Distrikten allein 80 Prozent aller bisher bei diesem Ausbruch entdeckten Fälle ausmachen, verteilten sich die restlichen auf weitere neun betroffene Distrikte. Das ist die grösste geografische Ausbreitung von Ebola, die Uganda je erlebt hat.
Nach einem steilen Anstieg der Zahl der Fälle im Oktober (86 Fälle in vier Wochen) hat sich der Ausbruch in den letzten Wochen in Bezug auf die Zahl der neuen bestätigten Fälle verlangsamt (14 Fälle in vier Wochen im November). Wir sind jedoch sehr besorgt darüber, dass es mehrere Ebola-Fälle gab, die nicht mit bekannten Übertragungsketten in Verbindung standen – das heisst, sie hatten sich aus einer zum Zeitpunkt ihrer Entdeckung unbekannten Quelle angesteckt. Deshalb konnten die Kontakte nicht wie vorgesehen zurückverfolgt werden, was für die Kontrolle eines Ausbruchs äusserst wichtig ist. Den Daten des Gesundheitsministeriums zufolge wurden nur etwa 64 Prozent der Kontaktpersonen eines Falles weiterverfolgt, was auf Lücken hinweist. Auch wenn der epidemiologische Gesamttrend nun positiv ist, bleiben wir besorgt und wachsam gegenüber dem, was noch passieren könnte.
Was sind mögliche Zukunftsszenarien? Was muss geschehen?
Denis Ardiet: Es gibt nicht nur eine Richtung, in die es gehen könnte, alles ist noch möglich. Szenario eins ist, dass sich der Abwärtstrend fortsetzt und keine neuen Fälle mehr auftreten, wir uns also dem Ende der Epidemie nähern. Szenario zwei ist, dass hier und da neue Fälle auftauchen, vielleicht in verschiedenen Bezirken. Und Szenario drei ist, dass es einen Anstieg neuer Fälle gibt, die auf einen weiteren Übertragungsgipfel zusteuern. All diese verschiedenen Szenarien erfordern entsprechende operative Massnahmen unserer Teams und des Gesundheitsministeriums, mit dem wir sehr eng zusammenarbeiten. Wir verlassen uns sehr auf dessen Daten, vor allem weil wir keine eigenen Labortests oder Falluntersuchungen durchführen.
Wie wir die ugandischen Gesundheitsbehörden am besten unterstützen können, hängt von den Bedürfnissen in der aktuellen Situation ab. Wir müssen abwägen, was am sinnvollsten ist, zum Beispiel könnten wir dazu übergehen, vor allem mit kleineren Reaktionsteams zu arbeiten.
Ausserdem muss unbedingt sichergestellt werden, dass in den betroffenen Gebieten die Behandlung von Menschen, die nicht an Ebola erkrankt sind, fortgesetzt wird und dass eine kurative und präventive Behandlung von Malariafällen erfolgt, da die ersten Symptome von Ebola und Malaria ähnlich sind. Wir unterstützen das Gesundheitsministerium bei der Verstärkung der Kapazitäten zur Erkennung und Isolierung von Fällen in den bestehenden Gesundheitseinrichtungen, damit diese umgehend auf jeden neuen Alarm oder Fall reagieren und die Gefahr einer weiteren Ausbreitung rasch verringern können. Auf kommunaler Ebene setzt das Ministerium die Gesundheitsüberwachung fort, um sicherzustellen, dass es keine weitere Übertragung gibt. All diese Bemühungen müssen so lange aufrechterhalten werden, bis die Epidemie offiziell für beendet erklärt wird – also nach 42 Tagen ohne neue Fälle. Das ist das Doppelte der Inkubationszeit von Ebola, die bei 21 Tagen liegt.
Es ist immer schwierig, das Ende eines Ausbruchs vorherzusagen. Wir wissen nie alles über das epidemiologische Rätsel und können nur sicherstellen, dass wir so viele relevante Informationen wie möglich sammeln. Auf jeden Fall müssen wir vorbereitet sein und auf jeden neuen Fall reagieren.
Ist ein schneller Rückgang der Fälle bei Ebola-Ausbrüchen ungewöhnlich?
Denis Ardiet: Er ist nicht wirklich ungewöhnlich, da so ein Rückgang auch bei anderen Ausbrüchen beobachtet wurde. Angesichts der vielen unbekannten Elemente, die beim Ausbruch in Uganda eine Rolle spielen, ist es aber durchaus überraschend. Ein solcher Rückgang könnte darauf hindeuten, dass die Übertragung durch eine Kombination verschiedener Faktoren gestoppt wurde. Dieser Ausbruch erinnert mich ein wenig an die Ausbrüche in Conakry in Guinea im Jahr 2015 oder in Beni in der Demokratischen Republik Kongo im Jahr 2020. Auch damals gab es Schwierigkeiten, alle Fallkontakte nachzuverfolgen, und trotz abnehmender Tendenz traten die letzten Fälle einige Monate lang sporadisch auf.
Ebola ist eine schwere und oft tödliche Krankheit mit einer Sterblichkeitsrate von bis zu 90 Prozent. Die ersten Symptome ähneln denen vieler anderer Krankheiten: plötzlich auftretendes Fieber, Müdigkeit, Muskelschmerzen, Kopf- und Halsschmerzen. Auf diese ersten Symptome können Erbrechen, Durchfall, Hautausschlag, Symptome von Nieren- und Leberversagen und in einigen Fällen innere und äussere Blutungen folgen.
Ebola wurde 1976 in der Demokratischen Republik Kongo entdeckt. Es gibt mehrere Typen der Krankheit, wobei die Zaire-Spezies in den letzten zehn Jahren am häufigsten aufgetreten ist. Der aktuelle Ausbruch in Uganda wurde durch einen relativ seltenen Typus des Virus, die sogenannte Sudan-Spezies, verursacht, die die Teams vor eine Reihe von Herausforderungen stellt. Es gibt keinen zugelassenen Impfstoff gegen die Sudan-Spezies, es dürften unter der Federführung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) jedoch bald drei Impfstoffe in die klinische Erprobung gehen.
Unsere Teams versuchen, die Ausbreitung bei einem Ausbruch durch ein sogenanntes aufsuchendes Projekt zu stoppen, um die Zeit zwischen dem Auftreten der Symptome und der Einweisung in eine Gesundheitseinrichtung zu verkürzen. Dabei geht es unter anderem um Prävention, Ermittlung von Kontaktpersonen und Unterstützung für Kontaktpersonen, die sich selbst isolieren müssen. Zudem betreiben wir mehrere Ebola-Behandlungszentren und eine Isolierstation.
© Sam Taylor/MSF