Italien: MSF kämpft gegen vernachlässigte Krankheiten bei Migranten

Les conditions dans les centres d’identification et d’expulsion pour migrants sans papiers continuent d'être difficiles, principalement en matière de santé.

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Mehr als tausend Migrantinnen und Migranten haben seit Beginn des Jahres 2012 die Küste Italiens erreicht. MSF überwacht weiterhin die humanitäre und medizinische Lage im Hafen von Lampedusa, wo viele Menschen als erstes das Land erreichen. In anderen Regionen des Landes konzentriert die Organisation die medizinische Hilfe auf das Erkennen und Behandeln von Tuberkulose und Chagas. Beide sind so genannte vernachlässigte Krankheiten, für die Migranten speziell anfällig sind. Dr. Silvia Garelli ist Einsatzleiterin von MSF in Italien und erzählt von den aktuellen Aktivitäten der Organisation im Land. Sie spricht auch über die gesundheitlichen Herausforderungen, denen Migranten in Italien gegenüberstehen.

Kommen noch immer viele Menschen an der italienischen Küste an?

Heute geht die Zahl der Migranten, die die Küste erreichen, zurück. Doch ab und zu sind noch immer behelfsmässige Boote aus Libyen an der Küste zu sehen. Die italienische Marine hat seit Beginn des Jahres fast 1’300 Flüchtlinge, Migranten und Asylsuchende vor der Küste aufgehalten. Nicht weniger als 170 Menschen haben beim Versuch der Überfahrt ihr Leben verloren, aus Mangel an effektiven Rettungsmassnahmen auf See.

Können Sie die Aufnahmebedingungen auf Lampedusa beschreiben?

Die italienischen Behörden hatten im September 2011 die Schliessung der Aufnahmeeinrichtung angeordnet, infolge eines Aufstands von Migranten als Reaktion auf Zwangsrückführungen. Heute ist sie teilweise wieder in Betrieb, aber Lampedusa kann noch nicht als sicherer Hafen bezeichnet werden. Medizinische Bedürfnisse werden nun vom nationalen Gesundheitssystem abgedeckt, aber MSF evaluiert die Lage regelmässig und ist bereit einzugreifen, sollte es einen neuen Anstieg von Ankünften geben.

Was sind die derzeitigen Aktivitäten von MSF für Migranten in Italien?

Die Bedingungen und gesundheitliche Situation in den Zentren für Identifizierung und Ausweisung von Migranten ohne Papiere sind nach wie vor äusserst kritisch. Dass die Haftdauer bis zu 18 Monate verlängert wurde, hat die Lage weiter verschärft. Die Gesundheitsdienste in den Zentren werden nicht vom italienischen Gesundheitsministerium zur Verfügung gestellt, sondern werden an private Firmen vergeben. Aus der fehlenden Koordination entstehen Probleme, die direkten Einfluss auf die Patienten haben. So werden zum Beispiel Krankheiten wie Tuberkulose, die sehr früh erkannt werden müssen, schlecht diagnostiziert und behandelt unter den Migranten, trotz der Existenz nationaler Protokolle. Jenseits der Zentren hat MSF einen weiteren medizinischen Bedarf identifiziert, der durch das staatliche Gesundheitssystem nicht abgedeckt ist: die Diagnose und Behandlung der Chagas-Krankheit. Diese vor allem in Lateinamerika verbreitete Krankheit wird von einem Parasiten verursacht, der durch Wanzenbisse auf den Menschen übertragen wird.

Liegt der Fokus daher auf vernachlässigten Krankheiten?

MSF konnte dank medizinischer Projekte auf der ganzen Welt umfangreiche Erfahrungen mit der Diagnose und Behandlung von vernachlässigten Krankheiten sammeln. Wir teilen dieses Wissen mit den Gesundheitsbehörden in Italien und anderen für die Gesundheit der Migranten zuständigen Beteiligten. In den Zentren in Caltanissetta, Mailand, Rom und Trapani arbeitet MSF mit dem Gesundheitsministerium, dem Ministerium für auswärtige Angelegenheiten und privaten Einrichtungen für die Verwaltung der Zentren zusammen. Ein mobiles medizinisches Team von MSF berät und schult medizinisches Personal auf die Erkennung und Behandlung von Tuberkulose.
Bei der Chagas-Krankheit können Symptome erst viele Jahre nach der Infektion auftreten. Die Krankheit ist in Italien fast unbekannt, daher sind Diagnose und Behandlung sehr begrenzt. In Bergamo treffen die MSF-Teams, in Zusammenarbeit mit dem Spital von Verona und der italienischen NGO OIKOS, Migranten aus Lateinamerika, um Menschen mit Chagas zu identifizieren und bei Bedarf weiterzuverweisen. Ziel dieser Partnerschaft ist es, die Verfahren für die aktive Erkennung und Vorbeugung einer Krankheit, die oft unsichtbar ist, zu verbessern. Ausserdem sollen Standardverfahren für die Vorbeugung, Erkennung und die Behandlung der Krankheit entwickelt werden, die in anderen Regionen des Landes ebenfalls angewendet werden können. 
Im Februar 2011 übernahm MSF bei Migranten, Flüchtlingen und Asylsuchenden im Hafen von Lampedusa die medizinische Triage und überwachte ihren Zustand im Auffanglager der Insel. Von Februar bis Mai führten die Teams mehr als 1’300 ärztliche Untersuchungen durch, verteilten 4’500 Hygienesets und Decken und unterstützten 17’000 Migranten, die neu angekommen waren, darunter mehr als 500 Frauen und 300 Kinder. Im Jahr 2011 bot ein MSF-Team im Auffanglager Mineo in Sizilien auch Beratungen im Bereich der psychischen Gesundheit an.