Jemen: Spitäler im umkämpften Hudaida in Gefahr
© Agnes Varraine-Leca/MSF
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MSF hat im Jemen seit dem ersten November 2018 über 500 Kriegsverletzte versorgt. Ursache ist die neue Offensive der Koalition unter der Führung von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten gegen die Truppen von Ansar Allah. In diesem Klima der Gewalt ist MSF äusserst besorgt um die Sicherheit ihrer Patienten und ihrer Mitarbeitenden, die von den Kämpfen in al-Hudaida direkt bedroht sind.
Die Bodengefechte und die Luftangriffe in der Stadt haben wieder eingesetzt und betreffen nun auch die Umgebung des Spitals al-Salakhana, wo die MSF-Teams arbeiten. «Unsere Mitarbeiter im Spital al-Salakhana hören täglich Explosionen und Schüsse aus nächster Nähe. Die Kämpfe nähern sich dem Spital und wir sind in grosser Sorge um die Sicherheit unserer Patienten und Mitarbeitenden», berichtet Caroline Seguin, MSF-Projektverantwortliche im Jemen.
Die Einrichtungen von MSF im Jemen wurden seit 2015 sechs Mal getroffen. 27 Personen wurden dabei getötet, 40 weitere verletzt. Die Kriegsparteien müssen die Sicherheit der Zivilbevölkerung, der öffentlichen Einrichtungen und insbesondere der Spitäler garantieren.
Das Spital al-Salakhana ist eines der drei öffentlichen Spitäler der Stadt, die noch in Betrieb und funktionsfähig sind. Das Referenzspital al-Thawra funktioniert zwar noch, sein Betrieb ist aber von den Kämpfen und der schnellen Verschiebung der Frontlinien bedroht. «Die Zivilbevölkerung hat immer weniger Möglichkeiten, sich medizinisch versorgen zu lassen. Es dauert Stunden, Patienten an Spitäler ausserhalb der Stadt zu überweisen. Wir erleben, wie Kinder mit Schussverletzungen und schwangere Frauen mit Komplikationen, deren Zustand sofortige lebensrettende Massnahmen erfordert, unsere Spitäler in Mokka und Aden zu spät erreichen», erzählt Caroline Seguin.
Zunahme der Kampfhandlungen im ganzen Land
Zwischen dem 1. und 15. November hat MSF in ihren Gesundheitseinrichtungen in al-Hudaida, Abs, Aden, Haddscha und Mokka 510 Kriegsverletzte behandelt, darunter 31 Frauen und 33 Kinder. 241 der Opfer hatten Verletzungen durch Schusswaffen, 227 durch Explosionen und 30 durch Granatsplitter. Im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Oktober des Vorjahres ist in den ersten zwei Novemberwochen die Zahl der Patienten in den Notaufnahmen von Aden um 56 Prozent, von Mokka um 50 Prozent gestiegen. Um den Zustrom an Verletzten versorgen zu können, hat MSF die Bettenkapazität in den Spitälern von Aden, al-Hudaida und Mokka von 133 auf 172 erhöht.
Aufgrund der Kämpfe in und um die Stadt droht al-Hudaida der Belagerungszustand, und das in einer Situation, in der es nicht genug Spitäler für die medizinische Grundversorgung der Zivilbevölkerung gibt. Caroline Seguin ist sehr besorgt: «Wir wissen zum heutigen Zeitpunkt nicht, wie im Fall einer Belagerung die unter Beschuss geratene Zivilbevölkerung die Stadt verlassen bzw. wie die medizinische Versorgung sichergestellt werden könnte.»
Die USA haben die Kriegsparteien zu einem Waffenstillstand bis Ende November aufgerufen, die Friedensgespräche wurden auf Jahresende vertagt. MSF äussert sich alarmiert über die grossen menschlichen Opfer dieser Offensive. Die offizielle Zahl von 10’000 Toten, die auf den Konflikt zurückzuführen sind, wurde seit August 2016 nicht mehr angepasst. Unabhängige Organisationen wie ACLED (Armed Conflict Location & Event Data Project) gehen jedoch von mehr als 57’000 Toten aus.
© Agnes Varraine-Leca/MSF