Lesbos: Unsere Teams finden drei Menschen mit gefesselten Händen

Drei Personen mit Handfesseln, die eines unserer Notfallteams auf der griechischen Insel Lesbos vorgefunden hat.

Griechenland2 Min.

Am 20. Oktober 2022, erhielt ein Notfallteam von Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) eine Alarmmeldung, dass eine Gruppe von Menschen, die gerade auf der griechischen Insel Lesbos angekommen war, dringend medizinische Hilfe benötigte. Als das Team dort eintraf, fand es drei an den Händen gefesselte Personen und vier Verletzte vor, die angaben, geschlagen worden zu sein.

«An diesem Tag wurden wir zu einem Noteinsatz gerufen», berichtet Teo di Piazza, unser Projektkoordinator auf Lesbos. «Als wir uns dem Ort, der sich auf einem Berg befand, näherten, hörten wir Menschen sehr laut schreien. Wir waren besorgt und liefen in Richtung der Schreie. Als wir ankamen, fanden wir 22 Menschen vor. Alle weinten, Frauen, Kinder und Männer. Drei Personen waren an den Händen mit Plastikschnüren gefesselt. Vier weitere waren verletzt. Ihren Berichten zufolge waren die Verletzungen von einer Gruppe von Personen verursacht worden, die wegliefen, als wir auf dem Weg zu ihnen waren.»

Alle in der Gruppe standen unter Schock. «Wir sahen, dass die Menschen in einem kritischen Zustand waren», sagt di Piazza. «Wir mussten eine psychologische Fachperson rufen, um der Gruppe psychologische Erste Hilfe zukommen zu lassen. Die vier Verletzten wurden zur Abklärung und Behandlung in ein Spital gebracht.»

Laut Zeugenaussagen kamen kurz vor unserem Eintreffen sieben oder acht Personen auf die Gruppe zu und behaupteten, sie seien Ärzt:innen und hätten Lebensmittel. Dann begannen sie angeblich, die Mitglieder der Gruppe zu schlagen und ihnen Handschellen anzulegen. Als sie uns kommen hörten, seien sie sofort wegelaufen.

Teo di Piazza, Projektkoordinator auf Lesbos

Nicht das erste Mal – wir fordern Massnahmen

Unsere Teams haben bereits ähnliche Berichte gehört: Menschen, die nach einer traumatisierenden Reise auf der Suche nach Sicherheit auf Lesbos oder Samos ankamen und Gewalt erfuhren. Für uns ist diese Situation äusserst besorgniserregend. Wir fordern die zuständigen staatlichen Behörden auf, alle notwendigen Massnahmen zu ergreifen, um solche Vorfälle zu verhindern und zu unterbinden und sicherzustellen, dass die Menschen Zugang zu sicherer Aufnahme, Schutz und Asylverfahren haben.

Unser Team auf Lesbos informierte die Polizeibehörden über den Vorfall und half bei der Einweisung der Verletzten in ein Spital. Es sorgte auch für die Nachversorgung der Gruppe am nächsten Tag.

Auf Lesbos und Samos arbeiten die Teams von Ärzte ohne Grenzen mit anderen humanitären Organisationen und Schutzorganisationen wie dem UNHCR sowie mit den örtlichen Behörden zusammen, um auf offizielle Warnungen zu reagieren und für die Menschen, die auf den beiden Inseln ankommen, medizinische Soforthilfe zu leisten. Ärzte ohne Grenzen leistet medizinische und psychologische Erste Hilfe, verteilt Nahrungsmittel, Wasser und trockene Kleidung und koordiniert sich mit den örtlichen Gesundheitsdiensten, um die Menschen bei Bedarf in ein Spital zu überweisen. Nach einer fünftägigen Quarantäne werden die Menschen von der örtlichen Polizei in ein Camp gebracht, wo sie registriert werden. Seit August 2021 haben die Teams von Ärzte ohne Grenzen auf Lesbos und Samos für 2225 Menschen medizinische Soforthilfe geleistet.