Nigeria: Unser Team schlägt Alarm wegen eskalierender Mangelernährungskrise - Anzahl stationär behandelter Kinder steigt deutlich

Eine Gruppe von Frauen teilt sich den Platz vor dem therapeutischen Ernährungszentrum, in dem ihre Kinder behandelt werden. Katsina, Nigeria, 24. Mai 2023.

Nigeria2 Min.

Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) weitet die medizinische Hilfe aufgrund der Mangelernährungskrise im Nordwesten Nigerias aus. Zudem warnen unsere Teams vor einer möglichen Katastrophe in den kommenden Monaten, da die derzeitige humanitäre Hilfe nicht ausreicht. Die stationären Einweisungen sind um 26 Prozent höher als im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres.

Die Zeit zwischen den Ernten, in der die Lebensmittelvorräte zur Neige gehen und die in Nigeria von Mai bis August andauert, hat erst vor Kurzem begonnen. Die Betten in mehreren Behandlungszentren von uns sind aber schon zu 100 Prozent belegt.

Die Zahl der mangelernährten Kinder, die wir in unseren Einrichtungen aufnehmen, sind ein deutlicher Indikator dafür, dass wir mehr Fälle haben werden, je weiter wir in die Zeit der Nahrungsunsicherheit kommen.

Htet Aung Kyi, medizinischer Koordinator in Nigeria

 Wir haben drei neue ambulante therapeutische Ernährungszentren eröffnet. Diese kommen zusätzlich zu den 10 stationären Zentren und 32 ambulanten Zentren, die es bereits in den Bundesstaaten Kano, Katsina, Kebbi, Sokoto und Zamfara gibt.  

Von Januar bis Mai dieses Jahres haben wir im Nordwesten Nigerias 10 200 schwer mangelernährte Kinder mit medizinischen Komplikationen stationär versorgt und 51 000 Kinder in ambulanten Ernährungsprogrammen aufgenommen.  

Der Nordwesten Nigerias weist einige der schlechtesten Gesundheitsindikatoren des Landes auf. Bewaffnete Gruppen überfallen regelmässig Städte, plündern und entführen Menschen, um Lösegeld zu erpressen. Menschen, die eine medizinische Versorgung benötigen, kommen nicht in die Gesundheitszentren oder Krankenhäuser. Zusätzlich verschärft die Klimakrise die Ernährungssicherheit um ein Vielfaches.    

Neu angekommene Patient:innen im therapeutischen Ernährungszentrum werden triagiert. Einige werden weitergeleitet und andere kommen zur Untersuchung. Sie werden getestet und ihr Gewicht und ihre Grösse werden gemessen, um festzustellen, ob sie aufgenommen werden müssen. Katsina, Nigeria, 24. Mai 2023.

Neu angekommene Patient:innen im therapeutischen Ernährungszentrum werden triagiert. Einige werden weitergeleitet und andere kommen zur Untersuchung. Sie werden getestet und ihr Gewicht und ihre Grösse werden gemessen, um festzustellen, ob sie aufgenommen werden müssen. Katsina, Nigeria, 24. Mai 2023.

© Ehab Zawati/MSF

Unsere Teams berichten, dass Kinder, die sich von einer Mangelernährung erholt haben und nach Hause entlassen werden, oft wieder eingewiesen werden müssen, da ihre Familien nicht genug Nahrung finden. Dadurch bleiben die Kinder in einer Spirale gefangen, aus der sie nur schwer entkommen.  

Nach Angaben des nigerianischen Statistikamtes leben schätzungsweise 78 Prozent der Menschen im Nordwesten Nigerias unterhalb der Armutsgrenze. Die medizinische Versorgung ist oft unerschwinglich oder schwer zugänglich, und viele Kinder sind noch nie gegen Kinderkrankheiten geimpft worden. Internationale Hilfe erreicht die Region nur in sehr geringem Umfang. All diese Faktoren haben dazu beigetragen, dass die Zahl der mangelernährten Kinder steigt. 

Trotz der eskalierenden Krise fehlt es im Nordwesten Nigerias an der nötigen Aufmerksamkeit und Unterstützung, etwa durch die Verteilung von Nahrungsmitteln oder die frühzeitige Erkennung und Behandlung von Mangelernährungsfällen. Wir fordern alle im Land tätigen Hilfsorganisationen auf, ihre humanitäre Hilfe zu verstärken und appellieren an die nigerianische Regierung und die lokalen Gesundheitsbehörden, jetzt zu handeln und damit in den kommenden Monaten Menschenleben zu retten.  

Ärzte ohne Grenzen / Médecins Sans Frontières (MSF) arbeitet seit 1996 in Nigeria. Derzeit arbeiten unsere Teams in zehn stationären und 35 ambulanten therapeutischen Ernährungszentren in den Bundesstaaten Kano, Katsina, Kebbi, Sokoto und Zamfara. Auch im Nordosten Nigerias behandeln wir Mangelernährungsfälle und betreiben eine Intensivstation für therapeutische Ernährung mit 120 Betten sowie ein ambulantes therapeutisches Ernährungsprogramm im Zentrum Nilefa Kiji in Maiduguri im Bundesstaat Borno. Im vergangenen Jahr versorgten wir in Nigeria 28 000 Kinder mit schwerer Mangelernährung stationär und nahmen 175 000 Kinder ambulant auf.