Nigeria: Extreme Mangelernährung unter Kindern in Maiduguri
© Abdulkareem Yakubu
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Ärzte ohne Grenzen / Médecins Sans Frontières (MSF) warnt vor einer drohenden Katastrophe: Die Teams der medizinischen Nothilfeorganisation behandeln eine noch nie dagewesene Zahl mangelernährter Kinder in den Ernährungszentren in Maiduguri, der Hauptstadt des nigerianischen Bundesstaates Borno im Nordosten Nigerias.
Die Zahl der Aufnahmen seit Anfang 2023 ist die höchste, die unsere Teams jemals im Bundesstaat Borno im Nordosten Nigerias für die Periode vor dem jährlichen «hunger gap» – dem Zeitraum, wenn die Nahrungsmittelvorräte der letzten Ernte traditionell zur Neige gehen und die Mangelernährung ihren Höhepunkt erreicht - verzeichnet haben. So wurden im Januar wöchentlich rund 75 Kinder wegen schwerer Mangelernährung in unser therapeutisches Ernährungszentrum Nilefa Kiji in Maiduguri eingeliefert. Das sind in etwa dreimal so viel wie der Durchschnitt des gleichen Zeitraums in den letzten fünf Jahren. Bis Anfang April sind die Aufnahmen pro Woche auf fast 150 gestiegen, doppelt so viele wie zur gleichen Zeit des Vorjahres.
Der massive Anstieg an mangelernährten Kindern erfordert eine sofortige Ausweitung der Massnahmen zur Vorbeugung und Behandlung, damit wir eine Katastrophe verhindern, wenn die saisonale Nahrungsmittelknappheit und der «hunger gap» eintreten
«Wir haben so etwas nicht mehr erlebt, seit wir hier 2017 den Einsatz gegen Mangelernährung begonnen haben. Letztes Jahr schlugen wir im Juni Alarm, als die Aufnahmen zu Beginn der Hungersnot in die Höhe geschnellt sind. Dieses Jahr sehen wir jedoch jetzt bereits alarmierende Zahlen, obwohl wir noch Wochen von der saisonalen Ernteknappheit entfernt sind. Die Uhr tickt und wir müssen dringend handeln», sagt Htet Aung Kyi, unsere medizinische Koordinatorin.
Die Lage verschärft sich seit Jahren
Mangelernährung ist in Maiduguri, wo jahrelange Konflikte und Unsicherheit zu einer kritischen humanitären Lage geführt haben, nichts Neues. Viele Menschen wurden aus ihren Häusern vertrieben und leben nun unter schwierigen Bedingungen in informellen und provisorischen Unterkünften oder auf der Durchreise in Auffanglagern.
Ende 2021 wurden die offiziellen Camps für Vertriebene geschlossen und die humanitäre Hilfe sowie Nahrungsmittelhilfen gekürzt. Für die meisten Menschen sind die Lebensbedingungen extrem hart, einige sind auch in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Dadurch können sie ihren Lebensunterhalt nicht verdienen oder ihre Felder nicht bestellen.
Die Reform der nigerianischen Währung Ende 2022, die zu einer Verknappung des Bargelds und einer Zerstörung grosser Märkte in Maiduguri führte hat die Lage der Menschen weiter verschärft.
Was wir tun und warum Nahrungsmittelhilfe allein nicht ausreichen wird
Unsere Teams behandeln mangelernährte Kinder stationär und ambulant und versorgen moderat mangelernährte Kinder gezielt mit Nahrungsmitteln, um eine weitere Verschlechterung ihres Zustands zu verhindern. Unsere mobilen Teams betreiben zudem Kliniken, die den Menschen im Lager Hajj und in den informellen Siedlungen Muna und Maisandari eine Basisgesundheitsversorgung bieten.
«Nahrungsmittelhilfe allein wird nicht ausreichen», sagt Gabriele Santi, unsere Projektkoordinatorin in Maiduguri. «Behörden und Hilfsorganisationen müssen sofort die Massnahmen zur Bekämpfung der Mangelernährung verstärken und die Bettenkapazität in den therapeutischen Ernährungszentren erhöhen. Sie müssen aber auch die Lebensbedingungen in den Durchgangslagern und den Zugang der Menschen zu Gesundheitsversorgung verbessern. Es braucht eine rasche Aufstockung der Mittel und eine starke Koordinierung, um sicherzustellen, dass die Nahrungsmittel die Bedürftigsten erreichen. Bislang sind nur 16 Prozent der angeforderten Mittel gesichert. Auch das ist alarmierend.»
Neben dem Ernährungsnotstand in Maiduguri sind die Teams von Ärzte ohne Grenzen auch an anderen Orten im Nordwesten Nigerias in 32 ambulanten therapeutischen Ernährungszentren und 10 stationären therapeutischen Ernährungszentren in den Bundesstaaten Kano, Katsina, Kebbi, Sokoto und Zamfara im Einsatz, um auf grossflächige Gesundheits- und Mangelernährungskrisen zu reagieren. Im vergangenen Jahr behandelten unsere Teams 147 860 Kinder mit schwerer akuter Mangelernährung im Nordwesten Nigerias.
© Abdulkareem Yakubu