Südsudan: Psychologische Unterstützung für ehemalige Kindersoldaten
© Philippe Carr/MSF
Südsudan4 Min.
Viele Kinder im Südsudan wurden im lange anhaltenden Bürgerkrieg dazu gezwungen zu kämpfen. Im Yambio County findet nun ein Demobilisierung-Programm für Kindersoldaten statt. Die Kinder möchten gern wieder ein normales Leben führen. Doch viele sind traumatisiert und können die Erlebnisse aus der Vergangenheit nicht allein bewältigen. Wir unterstützen sie daher dabei und helfen ihnen, in ihren Gemeinschaften wieder Fuss zu fassen.
Die Zwangsrekrutierung von Kindern durch bewaffnete Gruppen gehört zu den dunkelsten Kapiteln des Bürgerkriegs im Südsudan. Die Kinder wurden von ihren Familien getrennt und zu einem brutalen Leben voller Gewalt und Zwangsarbeit gezwungen. Manche Kinder wurden geschlagen und sexuell missbraucht. 632 Kinder mit diesem Schicksal haben nun das Demobilisierungsprogramm durchlaufen. Dabei haben Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen gemeinsam daran gearbeitet, diese Kinder wieder in ihre Gemeinden zu integrieren. Unsere Psychologen und Berater haben bei der psychologischen Unterstützung eine Schlüsselrolle gespielt. Wir trainieren auch das örtliche Personal darin, Unterstützung leisten zu können. Dieses wird dabei von einer Fachkraft begleitet.
«Es ist wichtig zu erkennen, dass nicht alle Kinder psychologische Beratung brauchen», erklärt unser Manager für psychosoziale Aktivitäten, Rayan Fattouch. «Der menschliche Geist ist erstaunlich widerstandsfähig und hat seine eigenen Wege, mit Problemen fertig zu werden. Doch manche Kinder zeigen Symptome des Posttraumatischen Stresssyndroms oder haben sogenannte Flashbacks, die Angstzustände und Depressionen auslösen können.»
Problematische Rückkehr in altes Leben
Solche starken Emotionen entstehen aber nicht nur im Zusammenhang mit ihren Erlebnissen als Soldaten. Viele fürchten sich auch vor einer unsicheren Zukunft. Sie sorgen sich darum, wie sie von ihren Gemeinschaften aufgenommen werden und was aus ihrem Leben werden wird.
Die Demobilisierung kann für ein Kind sehr schwierig sein. Früheren Kindersoldaten wird bewusst, dass das Leben während der Jahre ihres Zwangsdaseins weitergegangen ist und Veränderungen stattgefunden haben. In manchen Fällen waren Familien gezwungen, wegzugehen und sind nicht mehr auffindbar. Manchmal sind Familienmitglieder gestorben. Wenn Kinder das realisieren, kann sich das sehr problematisch auf ihre Wiedereingliederung auswirken. Zudem fürchten sich ihre ehemaligen Gemeinschaften nicht selten vor ihrer Rückkehr. Während der Kriegsjahre erpressten bewaffnete Gruppen die Bevölkerung und setzen die Kinder dafür ein, das Hab und Gut der Menschen zu plündern. Diejenigen, die nicht bezahlen wollten oder konnten, mussten gewalttätige Konfrontationen erdulden. Daher ist es Teil des Reintegrationsprozesses, den Menschen verständlich zu machen, unter welchen Umständen die Kinder gehandelt haben.
Kinder haben Schuldgefühle
«Einige Kinder leiden unter der Last der Schuld», erzählt unsere Psychologin Carol Mwakio Wawud. «Dabei geht es nicht nur um das, was sie möglicherweise in Uniform getan oder gesehen haben. Manche fühlen sich immer noch schuldig, weil sie in Gefangenschaft geraten und von ihrer Familie getrennt worden sind. Sie glauben, es war ihre eigene Schuld.»
Carol Mwakio Wawud und andere unserer Mitarbeitenden versuchen den Kindern dabei zu helfen, zu verstehen, dass sie nicht die volle Verantwortung für ihre früheren Taten tragen. «Wir erinnern sie daran, dass ihre Kommandeure die Verantwortlichen gewesen sind und sie zu Untaten gezwungen haben. Dies war ein Lebensabschnitt, in dem sie nicht selbst entscheiden konnten. Doch nun haben sie die Chance, ihre Zukunft selbst zu gestalten.»
Es ist sehr wichtig, dass die Kinder Vertrauen zu unseren Psychologinnen und Psychologen aufbauen können. Nur wenn zwischen ihnen und ihren jungen Klienten ein stabiles Band entsteht, werden sie ihre Gedanken und Gefühle aussprechen können: «Jedes Detail wird berücksichtigt, damit die psychotherapeutischen Sitzungen so angenehm wie möglich sind», so Mwakio Wawud. «Es kann beispielsweise sehr wichtig sein, wo unser Klient sitzt. Wir platzieren die Kinder so im Zelt, dass sie den Eingang sehen können und wissen, dass niemand mithört. Wir wollen ihnen damit zeigen, dass sie die Kontrolle über ihr Leben wiedererlangt haben.»
Sensibler Umgang notwendig
Es ist wichtig, dass die Kinder gut betreut werden. Viele von ihnen fühlen sich unsicher. Sie fürchten, jemand könnte sie wieder in ihr altes Leben zurückholen. Unter diesen Bedingungen kann jede Verbesserung ihres psychischen Zustands schnell wieder verlorengehen. Sollten sie das Gefühl bekommen, dass im Rahmen des Demobilisierungs-Programms Versprechen gemacht werden, die nicht eingelöst werden, kann das sehr negative Auswirkungen haben. Es besteht sogar die Gefahr, dass einige in ihr altes Leben zurückkehren wollen. Doch Pail Maina, Leiter des Programms weiss zu berichten: «Fast alle Kinder möchten wieder ein normales Leben leben und nach vorne schauen. Wenn man mit ihnen spricht, dann wollen sie alle in die Schule gehen, wie die anderen Kinder in ihrem Alter. Sie wissen, dass sie Bildung brauchen, um ein anderes Leben führen zu können.»
Das Programm in Yambio hilft den Kindern dabei, ihr Leben von Grund auf zu verändern. Natürlich ist das in einem Land, in dem es sehr viel Hilfebedarf gibt, ein Tropfen auf den heissen Stein. Es wird geschätzt, dass im ganzen Land rund 19‘500 Kinder an Kämpfen beteiligt waren und demobilisiert werden müssten. Unter ihnen mag es einige geben, die es schaffen werden, ihre Vergangenheit alleine zu bewältigen. Andere brauchen in diesem neuen Abschnitt ihres Lebens Hilfe.
© Philippe Carr/MSF