"Unser Spital in Mogadischu ist bereits voll belegt“
Somalia / Somaliland3 Min.
In der somalischen Hauptstadt leistet MSF Nothilfe für die Vertriebenen, die vor der Dürre geflohen sind. Die Teams vor Ort befürchten eine weitere Zunahme der mangelernährten Kinder.
David Querol, MSF Landeskoordinator in Somalia, betreut derzeit das neue MSF Projekt in Mogadischu.
David, du bist nicht zum ersten Mal in Mogadischu, was hat sich seit dem letzten Mal verändert?
Zum ersten Mal war ich im Juli 2000 als Landeskoordinator in Mogadischu. Seither müssen heftige Kämpfe getobt haben, denn die Stadt ist viel stärker zerstört als noch vor zehn Jahren. Durch Mogadischu zu gehen ist befremdlich, da die Strassen sehr lebendig sind und viel gehandelt wird. Die Menschen versuchen, ein normales Leben zu führen, Restaurants und Cafés sind geöffnet. Zugleich hört man aber auch Schüsse, und viele Leute tragen Waffen. Verschiedene Milizen patrouillieren die Stadt und man fühlt sich überhaupt nicht sicher. Die politische Lage ist wirr, und man kann kaum von einem Ort zum anderen gelangen. MSF war die erste Nichtregierungsorganisation, die permanent internationales Personal vor Ort hatte. Wir müssen uns in einem Konvoi mit zwei Fahrzeugen und bewaffneten Eskorten fortbewegen, was für MSF eine Ausnahme bedeutet, und es herrscht eine strenge Ausgangssperre. Am Eingang zu unseren Ernährungszentren stehen Metalldetektoren. Die Bedingungen sind sehr hart, insbesondere für internationale Mitarbeiter.
Wie sieht die Lage der Vertriebenen in Mogadischu aus? Geht es den Neuankömmlingen schlechter als denen, die schon länger hier sind?
In allen öffentlichen Gebäuden haben sich Vertriebene eingerichtet, wie etwa im Nationalstadion. Einige sind schon seit Jahren hier und haben sich eine Art Alltag geschaffen. Wenn man durch die Stadt geht, sieht man sofort, wer neu ist. Die Neuankömmlinge sind in schlechter Verfassung, sie sind schwer mangelernährt. Wegen der Dürre sind nun schätzungsweise 150‘000 Menschen in die Stadt geströmt. Sie lassen sich nieder, wo sie können, in Hütten oder in Zelten aus Plastikplanen. Die Hilfe ist überhaupt nicht koordiniert. Es gibt zahlreiche Einzelinitiativen von lokalen und internationalen Hilfsorganisationen, aber überhaupt keine Koordination. Die Bedürfnisse der Vertriebenen sind nicht gedeckt, es gibt keine geregelte Nahrungsverteilung, die Wasserversorgung für Sanitäres ist dürftig. Einige Lager verfügen nicht einmal über Latrinen.
Kann MSF angesichts der ernsten Lage die nötigen Ressourcen mobilisieren? Was kann MSF gegenwärtig tun?
Natürlich können wir nicht so viel tun, wie wir eigentlich möchten. Die unsichere Lage und der schiere Umfang der Krise schränken unsere Möglichkeiten enorm ein. Wir würden gerne mehr tun, aber wir können das Problem nicht allein lösen. Zur Veranschaulichung: Die Stadt Mogadischu mit über einer Million Einwohner hat nicht einmal eine normal funktionierende Entbindungsstation. Es müsste so viel getan werden. Gegenwärtig führen die MSF-Teams eine Impfkampagne gegen Masern durch. Fünf Teams haben sich das Stadtgebiet aufgeteilt und bisher 20‘000 Kinder geimpft. Masern sind die häufigste Todesursache unter den Vertriebenen. Im Impfgebiet sind zudem auch vier mobile Ernährungsteams von MSF unterwegs. Sie bestimmen den Oberarmdurchmesser der Kinder und verteilen bei Bedarf gebrauchsfertige Aufbaunahrung. Wir haben zwei therapeutische Ernährungszentren mit je 70 Betten aufgebaut, und sie sind bereits voll belegt. Andere Teams bieten medizinische Sprechstunden an. Auch ein Cholera-Behandlungszentrum wurde eingerichtet, da wir eine Zunahme der Durchfallerkrankungen befürchten.
Strömen noch mehr Vertriebene nach?
In einigen Gegenden wächst die Lagerbevölkerung immer weiter. Die Menschen ziehen von Ort zu Ort. Es wurden MSF-Teams ausgesandt, um die Lage genauer abzuklären.
Was geschieht im Korridor von Afgooye?
Anscheinend befinden sich dort zahlreiche Vertriebene, die sich in Richtung Mogadischu begeben, aber wir warten noch auf eine Bestätigung. MSF hat leider keinen Zugang zu diesem Gebiet, in dem sich derzeit die weltweit grösste Anzahl Vertriebener aufhält.
Welches sind die nächsten Schritte von MSF in Mogadischu?
Wir bauen gegenwärtig das Ernährungszentrum aus, um die Kapazität zu erhöhen. Wir befürchten, dass unsere Teams noch mehr mangelernährte Kinder versorgen müssen. Dies hängt allerdings nicht von uns allein ab, sondern auch davon, was die anderen Akteure unternehmen. Die Sicherheitslage verbessert sich allmählich, und möglicherweise nehmen dann auch andere NGOs und UN-Hilfswerke ihre Arbeit hier auf.