Covid-19-Medikament von Roche wird für den Grossteil der Welt unerschwinglich bleiben
© Tracy Makhlouf/MSF
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Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat heute das Medikament Tocilizumab für Patientinnen und Patienten empfohlen, die schwer an Covid-19 erkrankt sind. Tocilizumab wird exklusiv vom Schweizer Pharmakonzern Roche hergestellt. Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) fordert Roche dazu auf, den Preis dieses Medikaments zu senken, um es für alle, die es während der Covid-19-Pandemie brauchen, überall erschwinglich und zugänglich zu machen.
Tocilizumab ist erst das zweite Medikament, das die WHO für die Behandlung von Covid-19 empfiehlt, nachdem sie im September 2020 Dexamethason empfohlen hatte. Es gehört zu der Klasse von Medikamenten, die als monoklonale Antikörper (mAbs) bezeichnet werden und bei der Behandlung verschiedener Krankheiten, einschliesslich Krebs, eingesetzt werden. Die meisten der existierenden mAbs haben jedoch einen extrem hohen Preis und sind in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen praktisch nicht erschwinglich.
«Medizinisches Personal in vielen Ländern Afrikas und Lateinamerikas kämpfen derzeit um das Leben von Patientinnen und Patienten, die sich mit einem der verschiedenen Varianten des Coronavirus infiziert haben», sagt Julien Potet von der Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen. «Tocilizumab könnte für die Behandlung von Menschen mit kritischen und schweren Covid-19-Verläufen unentbehrlich werden und dabei den Bedarf an Beatmungsgeräten und medizinischem Sauerstoff reduzieren, die vielerorts knappe Ressourcen sind», sagt Potet. «Roche muss aufhören, in einer Pandemie einen Business-as-usual-Ansatz zu verfolgen und Schritte unternehmen, um dieses Medikament für alle, die es brauchen, zugänglich und erschwinglich zu machen. Der Preis muss gesenkt und die Technologie, das Know-how und die Zelllinien an andere Hersteller weitergegeben werden. Zu viele Leben stehen auf dem Spiel.»
Tocilizumab kam 2009 zur Behandlung von rheumatologischen Erkrankungen auf den Markt. Dabei hat Roche den Preis für dieses Medikament in den meisten Ländern stets sehr hochgehalten. Die Preise reichen von 410 US-Dollar in Australien über 646 US-Dollar in Indien bis hin zu 3’625 US-Dollar in den USA pro Dosis von 600 mg. Die Kosten für die Herstellung von Tocilizumab werden auf nur 40 US-Dollar pro Dosis von 400 mg geschätzt. Dies da die Herstellungskosten für monoklonale Antikörper oft unter 100 US-Dollar pro Gramm liegen, wenn sie in grossen Mengen produziert werden. Roche sollte sich bereit erklären, Tocilizumab während der Covid-19-Pandemie zu einem wesentlich günstigeren Preis zu verkaufen, als sie es derzeit tun.
Das Hauptpatent auf Tocilizumab ist 2017 ausgelaufen, aber es bestehen noch mehrere sekundäre Patente auf das Medikament in einer Reihe von Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen, die zu Unsicherheiten führen können. Mehrere Nachahmer-Präparate (sog. Biosimilars) befinden sich in der Entwicklung, aber keines wurde von einer Zulassungsbehörde zugelassen. Das bedeutet, dass Roche trotz des Patentablaufs weiterhin eine faktische Marktexklusivität besitzt, die sich auf die Verfügbarkeit des Medikaments auswirkt, wenn nicht genügend Nachschub vorhanden ist.
Da in der aktuellen Pandemie weiterhin viele Menschen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen schwer an Covid-19 erkranken, wird die Nachfrage nach diesem Medikament voraussichtlich steigen. Bereits während der zweiten Welle in Indien ging dem Vertriebspartner von Roche das Medikament aus und es war keine einzige Ampulle mehr für schwer erkrankte Menschen im Land verfügbar.
«In den letzten Monaten haben wir hilflos miterlebt, wie die Menschen in Südasien darum ringen, Tocilizumab für Patientinnen und Patienten mit schweren Covid-19-Verläufen zu bekommen», sagte Leena Menghaney von der Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen in Südasien.
© Tracy Makhlouf/MSF