Desaströse Politik: Kinder und andere Schutzbedürftige auf den griechischen Inseln müssen dringend evakuiert werden
© Anna Pantelia/MSF
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Auf den griechischen Inseln in der Nähe des türkischen Festlandes kommen zurzeit so viele Menschen an, wie seit Anfang 2016 nicht mehr. Auf Lesbos, Samos und Chios sitzen etwa 24 000 Schutzsuchende ohne ausreichend staatliche Versorgung in fünf völlig überfüllten Lagern fest. Im Lager Moria auf Lesbos sind zudem fast die Hälfte der Geflüchteten Kinder. Viele haben psychische Probleme.
Verantwortlich für diese Krise ist der EU-Türkei-Deal, der zu einem mangelhaften Aufnahmesystem auf den griechischen Inseln, fehlenden Schutzmechanismen und einer ungenügenden Versorgung der Geflüchteten führt. Die griechische Regierung und die anderen Mitgliedstaaten der EU müssen die Situation der Schutzsuchenden umgehend verbessern.
«Dies ist eine politikgemachte Krise – und sie ist nicht neu», sagt Tommaso Santo, Landeskoordinator von Médecins Sans Frontières/Ärzte ohne Grenzen (MSF) in Griechenland. «Die griechischen und europäischen Behörden sperren Asylsuchende seit mehr als drei Jahren unter inakzeptablen Bedingungen auf den griechischen Inseln ein. Dies war als vorübergehende Lösung gedacht und kann kein dauerhafter Zustand sein. Die Lager fügen den Menschen Schaden zu.»
Medizinische Versorgung bleibt NGOs überlassen
Die humanitäre und medizinische Versorgung wird überwiegend Freiwilligenorganisationen überlassen, die wegen des Versagens der Behörden einspringen: Auf Lesbos gibt es derzeit nur zwei Ärzte des griechischen Gesundheitssystems für 10 000 Menschen, auf Samos und Chios jeweils nur eine Vollzeitstelle für knapp 5000 beziehungsweise 2700 Menschen. Täglich führen MSF-Teams auf Lesbos, Samos und Chios hunderte medizinische Konsultationen in Koordination mit anderen Freiwilligen- und Nichtregierungsorganisationen durch.
Die Zahl der Menschen, die über die Ägäis auf den griechischen Inseln ankommen, ist derzeit so hoch wie seit 2016 nicht mehr. Im Juli hat das psychologische Team von MSF doppelt so viele Kinder überwiesen bekommen wie in den Vormonaten. Im Juli und August wurden insgesamt 73 Kinder betreut. Drei hatten versucht, sich das Leben zu nehmen, 17 hatten sich selbst verletzt. Zehn der Kinder sind jünger als sechs Jahre, das jüngste ist erst zwei.
Immer mehr dieser Kinder spielen nicht mehr, haben Alpträume und Angst, aus ihrem Zelt hinauszugehen. Sie beginnen, sich aus dem Leben zurückzuziehen.
«Einige von ihnen hören ganz auf zu reden. Um dauerhafte psychische Schäden zu vermeiden, müssen diese Kinder sofort aus dem Lager in Moria hinausgebracht werden.» In der Kinderklinik auf Lesbos behandelt das MSF-Team fast 100 Kinder mit komplexen oder chronischen Erkrankungen, darunter kleine Kinder mit schweren Herzerkrankungen, Diabetes und Epilepsie sowie Kinder mit Kriegsverletzungen. Alle warten darauf, für eine dringend benötigte Spezialbehandlung auf das Festland gebracht zu werden.
Vor Kurzem hat die griechische Regierung knapp 1500 schutzbedürftige Menschen von Lesbos aufs Festland gebracht. Doch mindestens 2500 Geflüchtete, die offiziell als schutzbedürftig anerkannt wurden, sind noch immer auf der Insel. Tausende weitere Schutzbedürftige sind noch nicht offiziell als solche anerkannt.
Samos: 5000 Personen leben in Gebiet, das für 650 vorgesehen war
Im Lager Vathi auf Samos sind 5000 Menschen in einen für 650 Personen ausgelegten Bereich eingepfercht. Die Mehrheit von ihnen lebt in einem Gebiet ausserhalb des Lagers, das als «Dschungel» bekannt ist. Das Fehlen von Schutzmassnahmen und Grundversorgung birgt die Gefahr einer Retraumatisierung der Geflüchteten. Berichte über Belästigung, sexuelle Übergriffe und Gewalt nehmen zu.
MSF fordert von der griechischen Regierung, der EU und ihren Mitgliedstaaten dringend:
- die Evakuierung von Kindern und anderen besonders Schutzbedürftigen in sichere und angemessene Unterkünfte auf dem griechischen Festland oder in andere europäische Staaten.
- mehr medizinisches Personal in den griechischen Aufnahmezentren.
- nachhaltige Mechanismen, um zu vermeiden, dass Tausende von Menschen auf den griechischen Inseln in überfüllten Lagern ausharren müssen.
© Anna Pantelia/MSF