Haiti: Cholera-Fälle nehmen alarmierende Ausmasse an

Cité l'Eternel. Haiti. Octobre 2022.

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Die Zahl der Cholera-Fälle steigt in der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince und in mehreren Departements des Landes in alarmierendem Masse. Ärzte ohne Grenzen / Médecins Sans Frontières (MSF) fordert eine sofortige Intensivierung der Hilfe zur Bekämpfung des Ausbruchs. Es müssen mehr Organisationen und Spender mobilisiert werden. Zudem müssen den medizinischen Teams und den Menschen in Haiti wichtige Hilfsmittel wie Impfungen zur Verfügung gestellt werden.

«Unsere derzeitigen Zentren füllen sich, und wir werden bald an der Kapazitätsgrenze angelangt sein», sagt Mumuza Muhindo, unsere Landeskoordinatorin in Haiti. Muhindo meint damit die 389 Betten, die in den sechs Cholera-Behandlungszentren (CTCs), die die Organisation seit dem Auftreten der ersten Fälle am 29. September eingerichtet hat, häufig belegt sind.

«Seit Ende Oktober haben wir in unseren Zentren durchschnittlich 270 Patienten pro Tag behandelt», sagt Muhindo. «In den ersten zwei Wochen waren es nur etwa 50. Insgesamt haben wir mehr als 8500 Patient:innen aufgenommen und 97 Todesfälle zu verzeichnen. Die Entwicklung ist sehr besorgniserregend.»

Es braucht mehr Hilfe und Impfungen

Unsere Teams managen mehr als 60 Prozent der Bettenkapazitäten zur Behandlung von Cholera-Patient:innen in der Hauptstadt. Mobile Teams, zu denen auch Wasser- und Abwasserspezialist:innen sowie Gesundheitsberater:innen gehören, sind in den am stärksten betroffenen Vierteln im Einsatz und schärfen das Bewusstsein für die Krankheit. Sie haben unter anderem die Wasseraufbereitung von etwa 100 Wasserstellen und die Verteilung von sauberem Wasser und Grundbedarfsartikeln organisiert. Trotz allem werden wir und die wenigen anderen Organisationen den Choleraausbruch nicht angemessen bekämpfen können. Weitere humanitäre Akteure und Geber müssen sich beteiligen, indem sie Behandlungszentren einrichten und den Zugang zu sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen schaffen.

Darüber hinaus ist es äusserst wichtig, dass die Menschen geimpft werden. Mehrere hunderttausend Dosen Impfstoff wurden dem Land bereits von der Internationalen Koordinierungsgruppe der Weltgesundheitsorganisation (ICG) zur Verfügung gestellt. Die haitianischen Behörden haben bei der ICG einen offiziellen Antrag gestellt, um weitere Impfdosen zu erhalten. Unsere Teams sind bereit, die Behörden bei der Impfkampagne zu unterstützen sowie bei der Wasserversorgung, Abwasserentsorgung und Gesundheitsförderung.

Treibstoffmangel und Abfallberge

Da die Zahl der Cholerafälle in der Hauptstadt und in anderen Departements zunimmt, ist es nach wie vor schwierig, das tatsächliche Ausmass des Ausbruchs einzuschätzen. «Die Entwicklung ist besorgniserregend», sagt Michael Casera, unser Epidemiologe. «Die Cholera-Behandlungszentren sind überlastet, so dass nicht alle Patient:innen behandelt werden können. Die Mobilität der Menschen ist wegen des Treibstoffmangels und der unsicheren Lage eingeschränkt, in unsicheren Stadtvierteln müssen Patient:innen teils mit schweren Symptomen nachts zu Hause bleiben, weil sich Motorradtaxis weigern, sie in ein Gesundheitszentrum zu bringen.»

Der Zugang zu Treibstoff ist für einen grossen Teil der Bevölkerung, die sich in einer akuten Wirtschaftskrise befindet, zu teuer. Viele Gesundheitseinrichtungen sind geschlossen und der Krankenwagenverkehr eingeschränkt ist. Der Zugang zu sauberem Wasser – ein entscheidendes Element im Kampf gegen die Cholera – hängt von Tankwagen ab, der wiederum vom Zugang zu Treibstoff und von der Sicherheitslage abhängt.

Abfall schwimmt auf dem Kanal im Viertel Cité L'Eternel

Ein Fluss aus Abfall auf dem Kanal des Viertels Cité L'Eternel. Die unhygienischen und schlechten Wasserverhältnisse haben die Verbreitung der Cholera beschleunigt.

© Alexandre Marcou/MSF

Nebst dem Treibstoffmangel sind auch die Abfallberge ein Problem. «Die Stadt ist voller Abfall, der seit Monaten nicht abgeholt wurde», sagt Muhindo. «In Vierteln wie Brooklyn in Cité Soleil sind die Strassen durch Abfallberge blockiert, verstopfte Kanäle und Abwasserkanäle führen zu überfluteten Strassen.»

Ärzte ohne Grenzen ist eine der wenigen Organisationen, die mit den Gesundheitsbehörden zusammenarbeiten, um die Ausbreitung der Cholera zu bekämpfen, deren Wiederauftreten ein Symptom für eine katastrophale humanitäre und gesundheitliche Situation ist. Der Ausbruch der Cholera findet vor dem Hintergrund einer noch nie dagewesenen politischen, wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Krise statt. Port-au-Prince ist heute eine umzingelte Stadt, deren Hauptverbindungsstrassen zum Rest des Landes von bewaffneten Gruppen kontrolliert werden.

Ärzte ohne Grenzen bietet seit mehr als 30 Jahren eine kostenlose medizinische Versorgung in Haiti an. Die Organisation betreibt derzeit sieben Projekte in der Hauptstadt Port-au-Prince sowie in den Departements Süd und Artibonite. Im Jahr 2021 führten unsere Teams 25.000 Notfallkonsultationen durch, behandelten 3.220 Menschen mit gewaltbedingten Verletzungen und unterstützten 1.560 Überlebende sexueller Gewalt.