Gewalt in Port-au-Prince, Haiti: Dutzende Menschen von verirrten Kugeln verletzt

Ein Patient mit einem Schädel-Hirn-Trauma liegt auf einer Trage und wird mit einem Krankenwagen in das MSF-Notfallzentrum in Turgeau gebracht.

Haiti1 Min.

Seit dem vergangenen Wochenende beobachtet Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) in den medizinischen Einrichtungen der Hauptstadt einen deutlichen Anstieg an Patient:innen. In userem Notfallzentrum in Turgeau wurden seit Beginn der gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen bewaffneten Gruppen in den Randbezirken fast 80 Menschen mit Schussverletzungen behandelt, die meisten von ihnen resultierten aus verirrten Kugeln.

«Ein Jahr nachdem wir unser Notfallzentrum in Martissant wegen der Gewalt schliessen und nach Turgeau verlegen mussten, wiederholen wir unsere Aufrufe», sagt Benoît Vasseur, Landeskoordinator von Ärzte ohne Grenzen in Haiti. «Die Bevölkerung von Port-au-Prince muss von der Gewalt verschont bleiben und Zugang zu medizinischer Versorgung und Basisdienstleistungen haben. Wir sind sehr besorgt, dass sich die Konfliktzonen in der haitianischen Hauptstadt und ihrer Umgebung weiter ausbreiten.»

Seit der Zunahme der Gewalt in mehreren Gegenden von Port-au-Prince – sei es in Cité Soleil, Martissant oder zuletzt in Bel Air, Bas Delmas und den Randgebieten des Stadtzentrums – beobachtet Ärzte ohne Grenzen stets einen Rückgang der ambulanten Konsultationen. 

«In mehreren Stadtteilen ist es extrem gefährlich geworden, sich zu bewegen», sagt Rachelle Seguin, medizinische Koordinatorin von Ärzte ohne Grenzen in Haiti. «Viele Einwohner:innen sind in ihren Vierteln gefangen. Dies hat den Zugang zur medizinischen Versorgung sehr erschwert. Ärzte ohne Grenzen organisiert mobile Kliniken, um die Menschen zu erreichen, die sich nicht bewegen können. Aber auch unsere medizinischen Teams haben mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Mindestens dreimal mussten Einsätze unserer mobilen Kliniken wegen der Kämpfe verschoben oder abgesagt werden.»

Bild von verirrten Kugeln.

Ein Teil der Kugeln, die unsere Teams aus den Wunden der Patient:innen im Notfallzentrum von Turgeau entfernt haben.

© MSF

In der Gegend von Cité Soleil konnte eine mobile Klinik von Ärzte ohne Grenzen Patient:innen während einer Waffenruhe erreichen. Innerhalb weniger Stunden führten die medizinischen Teams 150 Konsultationen durch, davon 30 bei Menschen mit alten, infizierten Wunden, die zuvor nicht behandelt worden waren. Die Verwundeten konnten vermutlich keine medizinische Hilfe bekommen, entweder wegen der Intensität der anhaltenden Kämpfe oder weil bewaffnete Gruppen Strassensperren und Barrikaden errichtet haben. In einigen Gebieten kann Ärzte ohne Grenzen Patient:innen wegen Kreuzfeuern und verirrten Kugeln nur in Kellern oder fensterlosen Räumen behandeln.