Waffenruhe in Gaza: Die humanitäre Hilfe muss umgehend und massiv aufgestockt werden

Am 19. Januar 2025 trat eine Waffenruhe in Kraft. Doch der Norden des Gazastreifens ist nach wie vor durch die israelische Armee besetzt. Seit Oktober 2024 ist praktisch keine medizinische oder humanitäre Hilfe in das Gebiet gelangt, und die Bevölkerung ist von medizinischer Versorgung abgeschnitten, da auch Spitäler belagert und angegriffen wurden.

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Die vorübergehende Waffenruhe ab dem 19. Januar bringt zwar eine Atempause, kommt aber nach mehr als 465 Tagen und 46 000 Toten zu spät. Sollte sie dauerhaft eingehalten werden, kann sie nur ein erster Schritt sein. Denn der Bedarf an humanitärer, psychologischer und medizinischer Unterstützung in Gaza ist enorm. Israel muss die Besetzung in Gaza umgehend beenden und eine massive Ausweitung der humanitären Hilfe im gesamten Gazastreifen zulassen. Nur so können sich die hunderttausenden Menschen, die unter katastrophalen Bedingungen leben, an den langwierigen Wiederaufbau machen.

Der schreckliche Krieg der israelischen Armee gegen die gesamte Bevölkerung in Gaza führte zu einer vollständigen Zerstörung von Wohnvierteln, Spitälern und Schlüsselinfrastruktur. Zudem wurden Millionen Menschen wiederholt vertrieben, leiden Hunger und Durst und kämpfen bei eisigen Temperaturen ums Überleben. Millionen Palästinenser:innen sind von der massiven Zerstörungen betroffen. Gleichzeitig warten die Familien der israelischen Geiseln und der palästinensischen Gefangenen auf die Rückkehr ihrer Angehörigen.

Über 15 Monate lang waren die Spitäler hoffnungslos überfüllt mit Patient:innen, die infolge von Luftangriffen Gliedmassen verloren oder andere schwere Verletzungen davontrugen. Es kamen Menschen, die verzweifelt nach den sterblichen Überresten ihrer Angehörigen suchten. Immer wieder wurden medizinische Einrichtungen und Gesundheitspersonal ins Visier genommen. Dabei verloren seit Beginn des Krieges acht unserer Kolleg:innen ihr Leben. Auch die Zahl der willkürlich inhaftierten Personen im Gazastreifen und im Westjordanland ist erschreckend hoch.

Unsere Teams sind weiterhin entschlossen, die betroffene Bevölkerung medizinisch zu versorgen. Die humanitäre Not hat ein erschreckendes Ausmass angenommen, und um auch nur einen Bruchteil davon zu lindern, bedarf es einer sofortigen und massiven Aufstockung der humanitären Hilfe.

Diese hängt jedoch nicht nur von einem Ende der Kampfhandlungen ab. Erschwerend hinzu kommt der desolate Zustand von Strassen, Gebäuden und ziviler Infrastruktur. Aber auch die ständige Unsicherheit sowie das Verbot der Tätigkeit von UNRWA, dem grössten Gesundheitsdienstleister im Gazastreifen, stellen erhebliche Hindernisse dar. Zudem stürzte die Zerschlagung der Ordnungskräfte die Region ins Chaos. Wichtige Grenzübergänge wie Rafah müssen wiedereröffnet und die durch Israel in den letzten 15 Monaten errichteten Blockaden umgehend aufgehoben und Hilfslieferungen uneingeschränkt zugelassen werden. Wir fordern Israel ausserdem auf, den Zugang zu Nord-Gaza wieder zu ermöglichen, das sich seit Oktober 2024 in einem Belagerungszustand befindet.

Die israelische Regierung, die Hamas und die führenden Politiker:innen weltweit haben die Bevölkerung in Gaza auf tragische Weise im Stich gelassen, indem sie sich nicht schon früher auf eine dauerhafte Waffenruhe geeinigt oder eine solche durchgesetzt haben. Diese Waffenruhe kann nur ein erster Schritt sein. Die Menschen in Gaza brauchen noch weit mehr, damit sie ihr Leben wieder aufbauen, ihre Würde zurückgewinnen und um ihre getöteten Angehörigen und alles, was sie verloren haben, trauern können.