Dem Krieg zum Trotz: Frauen kümmern sich um andere Frauen

Hilfe für Opfer sexualisierter Gewalt in Kanyaruchinya. Demokratische Republik Kongo, Februar 2024.

4 Min.

In Konflikt- und Kriegssituationen auf der ganzen Welt spielen Frauen eine unverzichtbare Rolle, wenn es um die gesundheitlichen Bedürfnisse der anderen Frauen in ihrer Gemeinschaft geht. Sie sind aber auch ein wichtiges Bindeglied zwischen Betroffenen und Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen.

Gesundheitliche Bedürfnisse verschwinden nicht, wenn ein Konflikt oder ein Krieg ausbricht. Ganz im Gegenteil: In solchen Situationen fehlt es oftmals an angemessener Nahrung, sicherem Trinkwasser und grundlegender Hygiene. Frauen haben Mühe, Verhütungsmittel, Schwangerschaftskontrollen und Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten zu erhalten – sind aber einem erhöhten Risiko für sexualisierte Gewalt ausgesetzt.  Es besteht eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass Frauen krank werden oder sterben. Deshalb brauchen sie eine umfassende Gesundheitsversorgung und Schutz – dies muss auch ein wichtiger Bestandteil von humanitären Hilfsmassnahmen sein. 

Frauen an der Front: Erfahrungsberichte

In Ländern wie dem Tschad, der Demokratischen Republik Kongo oder Palästina kann sich Ärzte ohne Grenzen oftmals nur dank engagierter Frauen aus den betroffenen Gemeinschaften um die gesundheitlichen Belange der Frauen kümmern. Diese Helferinnen stellen ihre Kompetenzen, ihre eigenen Erfahrungen und ihr lokales Wissen zur Verfügung und spielen so eine zentrale Rolle, damit mehr Frauen Zugang zu medizinischer Versorgung und sozialer Unterstützung erhalten und nicht im Stillen leiden. 

Ich möchte, dass Mütter und Babys sicher sind.

Khadija Yahia Adam*, erfahrene Hebamme von Ärzte ohne Grenzen als Freiwillige ausgebildet

Khadija Yahia Adam* ist eine erfahrene Hebamme und eine von mehr als 600 000 sudanesischen Geflüchteten, die versuchen, im Tschad zu überleben. Die meisten der geflüchteten Frauen im Osten des Tschads entbinden am liebsten zuhause, begleitet von Hebammen aus der Gemeinschaft. In einem Geflüchtetencamp wie in Adré mangelt es jedoch in der Regel an den nötigen Hilfsmitteln und ausreichender Hygiene; dies erhöht das Risiko für die Mütter und ihre Babys.  Khadija darf im Tschad offiziell nicht als Hebamme arbeiten, doch sie wurde von Ärzte ohne Grenzen als Freiwillige ausgebildet und unterstützt nun die von der Organisation betriebene Entbindungsklinik. Sie bietet dringend benötigte vor- und nachgeburtliche Betreuung an und überweist Frauen bei Bedarf für die Entbindung an die Klinik.

 

Als Hebammen, freiwillige Gesundheitshelferinnen oder interkulturelle Vermittlerinnen spenden sie Trost und geben vertraulichen Rat, manchmal in ihrem eigenen Zuhause. Je nach ihrer Rolle verweisen sie die Frauen an die entsprechenden Dienste oder helfen ihnen selbst: Sie geben Verhütungsmittel ab, bieten Untersuchungen in der Schwangerschaft oder nach der Geburt an,  versorgen sie nach sexualisierter Gewalt, begleiten sie bei einem sicheren Schwangerschaftsabbruch oder unterstützen sie psychologisch.

Sie tragen entscheidend dazu bei, dass dem Thema Frauengesundheit mehr Beachtung geschenkt wird, und fördern das Engagement innerhalb der Gemeinschaft. Sie helfen auch, Vorurteile abzubauen. Mit ihrem Wissen und ihren Fähigkeiten unterstützen sie Frauen dabei, sich aktiv um einen Teil ihrer gesundheitlichen Versorgung zu kümmern. Durch diese Selbstfürsorge können sie für sich selbst und andere sorgen.

Ich bin eine Vertriebene – und ich bin auch freiwillige Gesundheitshelferin.Ich danke der Freiwilligen, die mich hierhergebracht hat. Ich hätte sterben können.

Henriette Mbitse, Freiwillige im Bereich der Gemeindegesundheitspflege.

Vor dem Hintergrund des neu aufgeflammten Konflikts im Osten der Demokratischen Republik Kongo, der unzählige Menschen vertrieben hat, leitet Ärzte ohne Grenzen in Kanyaruchinya ein Projekt für Betroffene von sexualisierter Gewalt. Freiwillige Gesundheitshelferinnen wie Henriette Mbitse bringen betroffene Frauen dorthin und sorgen dafür, dass sie sicher und vertraulich Hilfe erhalten. Mama Henriette, wie sie liebevoll genannt wird, arbeitete schon in ihrem Heimatdorf als Gesundheitshelferin, bevor sie mit ihrer Familie floh. Auch Clara* floh nach Kanyaruchinya. Sie kommt aus Rutshuru und hat acht Kinder in ihrer Obhut. Sie wurde vergewaltigt, als sie im Wald Holz suchte, das sie verkaufen wollte.

Mit dieser Hilfe und Sorge für andere stellen diese Gemeindemitglieder nicht nur ihre Solidarität, sondern auch ihre grosse Resilienz unter Beweis. Denn sie mussten selbst vor Konflikten fliehen, haben Gewalt erlebt, Familienangehörige verloren und müssen allein für ihre Kinder aufkommen und sie schützen. Hinzu kommt, dass sie einer sehr ungewissen Zukunft entgegenblicken. 

Wir haben alle unter der Besatzung, unter den gleichen Umständen gelitten, wir alle kennen das Gefühl.

Noura Arafat, interkulturelle Vermittlerin bei Ärzte ohne Grenzen

Noura Arafat, interkulturelle Vermittlerin bei Ärzte ohne Grenzen, hat ihr ganzes Leben in Nablus im Westjordanland verbracht. Seit dem Ausbruch des Kriegs im Gazastreifen hat sich die Lage im gesamten Westjordanland, so auch in Nablus, stetig verschlechtert. Die Bewegungsfreiheit wurde zusätzlich eingeschränkt, es kam vermehrt zu Gewalt durch Siedler:innen und die israelischen Streitkräfte. Trauer ist eine der vielen Herausforderungen, die Frauen bewältigen müssen. Arafat hilft Frauen aus ihrer Gemeinschaft, sich im Projekt von Ärzte ohne Grenzen für psychische Gesundheit Unterstützung zu holen, um wieder Hoffnung zu schöpfen.

*Name zum Schutz der Privatsphäre geändert