
Der Konflikt in Nord- und Süd-Kivu spitzt sich zu – drei Fragen zur aktuellen Situation

© Moses Sawasawa
Demokratische Republik Kongo3 Min.
Seit Wochen verschärft sich der Konflikt zwischen der bewaffneten Gruppe M23/AFC und der kongolesischen Armee. Beide Parteien werden jeweils durch Verbündete unterstützt. Von der Provinz Nord-Kivu weiten sich die Kämpfe derzeit auf das benachbarte Süd-Kivu aus. Die M23/AFC ist bereits in die Provinzhauptstadt Goma eingedrungen. Die Sicherheit der Zivilbevölkerung, der Vertriebenen sowie unserer Mitarbeitenden bereiten uns grosse Sorgen. Emmanuel Lampaert ist Vertreter von Ärzte ohne Grenzen / Médecins Sans Frontières (MSF) in der Demokratischen Republik Kongo. Er gibt einen Einblick in die aktuelle Situation und berichtet über unsere Hilfsaktivitäten.
Wie ist die Lage derzeit in Nord- und Süd-Kivu?
Seit Dezember 2024 wird in beiden Provinzen an verschiedenen Fronten um die Kontrolle über strategisch wichtige Orte gekämpft. Die M23/AFC hat mehrere Städte unter ihre Kontrolle gebracht. Seit einigen Tagen rücken die Kämpfe immer näher an die Provinzhauptstadt Goma heran. In der etwa zwanzig Kilometer entfernten Stadt Sake kam es bereits zu heftigen Zusammenstössen. Aus Goma selbst sind regelmässig Detonationen zu hören. Die Kämpfe werden auf allen Strassen rund um Goma ausgetragen. Überall herrscht Panik; viele Menschen suchen in der Stadt Zuflucht.
Welche Auswirkungen hat der Konflikt auf die Bevölkerung?
Der Konflikt hat schwere Folgen für die humanitäre Situation. Nach Angaben der Vereinten Nationen flohen im Januar 400 000 Menschen vor den Kämpfen. Zehntausende von ihnen liessen sich in Geflüchtetencamps in der Umgebung von Goma nieder. Doch dort lebten vorher bereits über 650 000 Menschen. Die Kämpfe, die seit nahezu drei Jahren anhalten, haben viele erschöpft. Seit längerem stellen wir fest, dass die Hygiene an diesen Orten mangelhaft ist. Familien haben keine angemessene Unterkunft und es fehlt ihnen an Nahrung, Wasser, medizinischer Versorgung – an allem.

Die Kämpfe rücken näher. Viele Menschen aus den Vertriebenencamps suchen in Goma Zuflucht. Das Foto wurde am 22. Januar 2025 im Camp Nzulo aufgenommen.
Zudem sind die Menschen noch nicht einmal in den Unterkünften vor den Kämpfen sicher. In der Nähe der Camps und Gesundheitseinrichtungen werden Raketen abgefeuert. Das ist absolut inakzeptabel. Unter den hunderten von Verletzten, die wir behandeln, sind zudem viele Zivilist:innen. Das bereitet uns Sorgen. Einige werden von Querschlägern getroffen. Andere werden verwundet, weil die Kriegsparteien grundlegendes Völkerrecht missachten. In Masisi beispielsweise geriet das von uns unterstützte Spital unter Beschuss, das 10 000 Menschen als Zufluchtsort diente. Zwei Zivilpersonen wurden direkt vor dem Spital getroffen, und zwei unserer Mitarbeitenden wurden durch Raketen verletzt. Kämpfer und Artillerie in unmittelbarer Nähe von Gesundheitseinrichtungen und Geflüchtetencamps gefährden das Leben der Bevölkerung ganz erheblich. Deshalb ist es so wichtig, daran zu erinnern, dass es diesbezüglich Regeln gibt – auch im Krieg.
Wie reagiert Ärzte ohne Grenzen auf die Situation?
Wir tun alles dafür, unsere Aktivitäten aufrechtzuerhalten. An bestimmten Orten müssen wir unsere Teams jedoch reduzieren. Durch die extreme Gewalt in der Umgebung von Goma ist unsere Mobilität zum Beispiel stark eingeschränkt. Sobald die Bedingungen es erlauben, werden wir unsere Arbeit in medizinischen Einrichtungen dort fortsetzen. Wir bereiten die Spitäler auf einen massiven Zustrom von Verletzten vor und organisieren Treibstoff für die Wasserpumpen. So kann der Betrieb auch mit einem reduzierten Team weitergehen.
In Goma selbst sind die Spitäler völlig überlastet. Dort unterstützen wir weiterhin das Kyeshero-Spital, wo ein Teil der Verletzten behandelt werden kann. Im Rest von Nord- und Süd-Kivu halten wir trotz Problemen in den Bereichen Sicherheit, Logistik und Mobilität unsere Präsenz aufrecht. Innerhalb von drei Wochen wurden rund 400 Verletzte in den Spitälern Minova, Numbi und Masisi behandelt. Auch unterstützen wir weiterhin Vertriebene in entlegeneren Gebieten. In Lubero sind wir zum Beispiel dabei, den Zugang zu Wasser in Gesundheitseinrichtungen und im Vertriebenencamp Magasin zu verbessern.
© Moses Sawasawa