Die Bevölkerung in Port-au-Prince leidet unter der wahllosen Gewalt

Notfallzentrum von Ärzte ohne Grenzen in Turgeau, Haiti.

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Die Sicherheitslage hat sich in jüngster Zeit im ganzen Land erheblich verschlechtert; die Menschen sind in ständiger Alarmbereitschaft. Die eskalierende Gewalt in Port-au-Prince, Haiti, verschont auch die Wohngebiete nicht. Die Bevölkerung leidet sehr, und auch das Gesundheitssystem wird stark in Mitleidenschaft gezogen.

Am Notfallzentrum von Ärzte ohne Grenzen / Médecins Sans Frontières (MSF) in Turgeau, das sich mitten in der Hauptstadt befindet, ist der Alltag stark von der Gewalt geprägt. «Wir sehen die Auswirkungen jeden Tag», bestätigt Robin Meldrum, Koordinator am Notfallzentrum.

Im vergangenen Monat war einer unserer jüngsten Patienten ein dreijähriger Junge, der eine Schussverletzung am Hals hatte – dies zeigt, wie willkürlich die Gewalt ist.

Robin Meldrum

Das Gesundheitssystem steht vor dem Zusammenbruch. Das grösste Spital von Port-au-Prince ist zurzeit nicht in Betrieb, da es in einem besonders gefährlichen Gebiet liegt. Unser Spital in Tabarre, das auf Traumatologie und die Versorgung von Brandverletzungen spezialisiert ist, ist oftmals voll. So können häufig nur die am schwersten verletzten Patient:innen behandelt werden.

Notfallzentrum von Ärzte ohne Grenzen in Turgeau, Haiti.

Kettly, Kindergärtnerin und Unternehmerin, zog sich nach der Explosion eines Propangaszylinders Verbrennungen zu, als sie den Zylinder auswechselte. Ihren zwei Kindern ist glücklicherweise nichts passiert. Es war zwar riskant, das Notfallzentrum in Turgeau aufzusuchen, aber sie musste versorgt werden.

© MSF

Das Erscheinungsbild von Port-au-Prince hat sich radikal verändert. Menschenleere Strassen und abgeriegelte Viertel sind zur Norm geworden, da die Bewohner:innen versuchen, sich vor der Gewalt zu schützen. Die Zahl der Menschen, die die Notaufnahme in Turgeau aufsuchen, ist in der Folge stark zurückgegangen. Waren es früher noch 80 bis 100 Personen pro Tag, kommen heute nicht einmal mehr 40.

Die Unsicherheit hat viele Menschen gezwungen, ihre Lebensgewohnheiten drastisch zu ändern. So auch die Verkäuferin Maudeline: Seit sie bei ihrer Arbeit auf dem lokalen Markt von einer verirrten Kugel getroffen wurde, geht sie nicht mehr dorthin. «Ich riskiere es nicht mehr, obwohl ich auf dem Markt mein Geld verdiene. Meine Sicherheit geht vor. Sobald ich wieder gesund bin, muss ich einen Weg finden, um den Markt sicher zu erreichen.»

Trotz dieser Schwierigkeiten bemühen wir uns weiterhin, der Bevölkerung medizinische und psychologische Unterstützung anzubieten. Unsere Gesundheitspromotorin Windy resümiert: «Es ist nicht mehr die Stadt, die ich kannte. Bei unserer Arbeit geht es jetzt nicht nur darum, körperliche Verletzungen zu versorgen. Wir müssen uns auch um die seelischen Narben kümmern, die durch die ständige Angst und die Verluste entstehen.»