Ebola in der DR Kongo: «Heute fange ich bei null an» – Die Geschichte von Marie-Vincent
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Demokratische Republik Kongo3 Min.
Zuerst haben wir nicht an Ebola geglaubt», berichtet Marie-Vincent, eine Frau, die kürzlich aus dem Ebola-Behandlungszentrum von Ärzte ohne Grenzen/Médecins sans frontières (MSF) in Bikoro, Demokratische Republik Kongo, entlassen wurde. Sie selbst hat sich von dem Virus erholt, nachdem ihre ganze Familie daran erkrankt ist.
Marie-Vincent weiss nicht genau, wie alt sie ist. Sie schätzt um die 60 und hat in ihrem Leben schon viel erlebt. Die Ebola-Geschichte ihrer Familie beginnt mit ihrem Sohn Charles.
Charles war eines ihrer elf Kinder. Er war Krankenpfleger und leitete ein abgelegenes Gesundheitszentrum in Itipo, einem kleinen Ort, der etwa 170 Kilometer von Mbandaka, der Hauptstadt der Provinz Equateur entfernt liegt. Itipo ist nur über Schotterstrassen und teils schwer beschädigte Brücken erreichbar. Itipo ist das sogenannte Epizentrum des jüngsten Ebola-Ausbruchs.
Charles kümmerte sich jahrelang um Patienten und Patientinnen mit Krankheiten wie Malaria, Durchfall und Mangelernährung. Zudem half er Frauen bei der Schwangerschaftsvorsorge und komplizierten Geburten. Er starb am 9. Mai, einem Tag nach der offiziellen Erklärung des Ebola-Ausbruchs - höchstwahrscheinlich ebenfalls an der Krankheit. Sein Körper wurde nie auf das Virus getestet.
«Wir wurden misstrauisch, als die anderen Krankenschwestern uns aufforderten, uns von Charles zu distanzieren», sagt Marie-Vincent, »aber ich habe mich weiterhin um ihn gekümmert, weil das jede Mutter macht, wenn ihr Sohn krank ist.» Auch die Leiche ihres Sohnes wurde mit Sorgfalt und Respekt behandelt, gewaschen und in seinem Heimatdorf traditionell beerdigt.
Der Körper einer Person, die an Ebola gestorben ist, ist extrem ansteckend. In den Tagen nach Charles Begräbnis bekam seine Familie und die Kollegen und Kolleginnen, die sich um ihn gekümmert hat, dies mit voller Kraft zu spüren: Marie-Vincent und mehrere ihrer Familienangehörigen wurden ebenfalls krank.
«Nachdem er beerdigt worden war, begannen wir uns krank zu fühlen. Wir hatten Fieber, Erbrechen und Durchfall. Wir fingen an zu glauben, dass es wirklich eine Krankheit und kein Fluch war. Ich hatte zuvor zwar schon von Ebola und den mysteriösen Todesfällen in einigen Dörfern gehört. Aber zu dieser Zeit glaubten wir es einfach nicht. »
Bald darauf war Marie-Vincent sehr krank und wurde auf Ebola getestet. Ihr ältester Sohn, dessen Frau, ein weiterer Sohn und ein männlicher Verwandter erkrankten ebenfalls nacheinander. Als nächstes begann auch Charles schwangere Frau Fieber zu bekommen, genau wie zwei seiner Söhne und die junge Verlobte seines Sohnes. Die ganze Familie wurde in das Ebola-Transitzentrum von MSF in Itipo gebracht. Da die Tests auf den Virus positiv ausfielen, wurden sie daraufhin in das ein paar Stunden entfernte Ebola-Behandlungszentrum in Bikoro überwiesen.
«Die nächsten Wochen verbrachten wir im Behandlungszentrum und kämpften gemeinsam gegen die Symptome und die Angst. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen waren sehr mitfühlend und taten alles, um unser Leben zu retten», sagt Marie Vincent. «Sie haben uns ermutigt, dass wir wieder gesund werden – selbst wenn wir aufgeben wollten.»
Leider starben Marie-Vincents Enkel, Charles Söhne, sowie die Verlobte seines Sohnes an Ebola. Obwohl sich die Frau von Charles später erholte, überlebte ihr ungeborenes Kind, ein kleiner Junge, ebenfalls nicht. Das Ebola-Virus durchdringt die Plazenta, wo das Immunsystem der Mutter keinen Schutz bieten kann.
«Ich bin zwar wieder gesund, aber zu Hause habe ich nichts mehr. Alles, was ich besitze, wurde verbrannt. Ich bin alt, aber ich muss mein Leben von vorne beginnen. Ich werde heute bei Null anfangen.»
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