Ein Jahr nach dem Ebola-Ausbruch: Zwischen Hoffnung und Ernüchterung
© Pablo Garrigos/MSF
Demokratische Republik Kongo5 Min.
In diesen Tagen jährt sich der zehnte und bislang grösste Ebola-Ausbruch in der Demokratischen Republik Kongo zum ersten Mal. Die Epidemie wütet immer noch und ist inzwischen sogar weltweit die zweitgrösste aller Zeiten. Trish Newport, stellvertretende Einsatzleiterin von Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) in der D.R. Kongo, spricht über die Epidemie und die Ausbruchsbekämpfung in den letzten zwölf Monaten.
«Ich erinnere mich noch sehr gut an den 24. Juli 2018. An dem Tag wurde das offizielle Ende der neunten Ebola-Epidemie in der D.R. Kongo verkündet. Ich war während der Epidemie für die Leitung unseres Impfprogramms zuständig gewesen. Es war das erste Mal, dass der experimentelle Ebola-Impfstoff zu Beginn eines Ausbruchs eingesetzt wurde, um die Krankheit einzudämmen. Die Epidemie dauerte nicht einmal drei Monate und ich weiss noch, wie ich vor Freude geweint habe und wie hoffnungsvoll ich war, als deren Ende verkündet wurde. Ich dachte tatsächlich, dass die Welt mit diesem wirksamen Impfstoff nie wieder eine grosse Ebola-Epidemie erleben müsste. Wie so oft bei meiner Arbeit im humanitären Bereich kam es ganz anders.
Nur eine Woche nach dem offiziellen Ende der neunten Ebola-Epidemie in der D.R. Kongo brach die zehnte aus. In diesen Tagen jährt sich der zehnte grosse Ebola-Ausbruch zum ersten Mal. Die Epidemie wütet immer noch und ist inzwischen sogar weltweit die zweitgrösste aller Zeiten.
Das Vertrauen der Bevölkerung gewinnen
Für die Menschen, die in den vom Ebola-Virus betroffenen Gebieten der D.R. Kongo leben, war es ein sehr langes und sehr leidvolles Jahr: Es wurden Ebola-Behandlungszentren angegriffen und verwüstet, Gesundheitshelfer aufgrund ihrer Beteiligung am Hilfseinsatz ermordet und Zivilisten von Sicherheitskräften, die den Einsatz absichern sollen, getötet, während Menschen weiter an der Krankheit starben.
Der Hilfseinsatz wird vom kongolesischen Gesundheitsministerium, der WHO und anderen internationalen Organisationen durchgeführt. Eines der Hauptprobleme dieser Epidemie ist, dass es die Hilfskräfte nicht geschafft haben, das Vertrauen der einheimischen Bevölkerung zu gewinnen. Die von der Epidemie betroffene Region war in den vergangenen Jahren schon eine Konfliktregion: Immer wieder kam es zu bewaffneten Konflikten und Massakern. Ich habe eine einheimische Kollegin unseres Teams gefragt, warum dem Hilfseinsatz so viel Wut entgegenschlage, woraufhin sie antwortete: «Mein Mann wurde in einem Massaker in Beni getötet. Das einzige, was ich mir damals wünschte, war, dass eine internationale Organisation kommt und uns vor dem Morden schützt, doch niemand kam. Drei meiner Kinder sind an Malaria gestorben. Es gab keine Hilfsorganisation, die hierherkam, um dafür zu sorgen, dass wir Zugang zu medizinischer Versorgung und Trinkwasser erhalten. Jetzt gibt es hier Ebola und plötzlich kommen alle Organisationen, weil für Ebola gespendet wird. Wenn es euch um uns ginge, dann würdet ihr fragen, was uns wichtig ist. Mein grösster Wunsch ist es, in Sicherheit zu leben und die Gewissheit zu haben, dass meine Kinder nicht an Malaria oder Durchfall sterben. Ebola ist nicht meine, sondern eure grösste Sorge.»
Ein internationaler Gesundheitsnotstand
Letzte Woche wurde aufgrund der Ebola-Epidemie der internationale Gesundheitsnotstand ausgerufen. Was dies für den Hilfseinsatz bedeutet, ist noch unklar – fest steht allerdings, dass noch mehr Geld in den Kampf gegen Ebola fliessen wird. Wenn sich jedoch an der Art nichts ändert, wie die Epidemie bekämpft wird, und es nicht gelingt, das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen, dann bringen all diese Mittel nichts. Es würden nur noch mehr Probleme entstehen.
Zurzeit gibt es neben einem wirksamen Ebola-Impfstoff auch experimentelle Behandlungsmethoden, also Behandlungen, die während der Ebola-Epidemie in Westafrika noch kaum vorhanden waren. Deren Potenzial kann aber niemals vollständig ausgeschöpft werden, wenn die Bevölkerung der Ebola-Bekämpfungsstrategie skeptisch gegenübersteht, was sehr frustrierend ist.
Im Februar 2019 wurden zwei unserer Ebola-Behandlungszentren im Epizentrum der Epidemie angegriffen. Wir kannten weder die Täter noch die Gründe für die Angriffe. Da wir die Sicherheit unserer Teams und Patientinnen und Patienten nicht länger gewährleisten konnten, mussten wir schweren Herzens entscheiden, unseren Einsatz in diesem Gebiet einzustellen. Wir waren gezwungen, die Probleme, vor die wir gestellt wurden, anders anzugehen, und mussten uns überlegen, wie wir unser Vorgehen verändern wollten. Wir erkannten, dass wir enger mit der lokalen Bevölkerung zusammenarbeiten und besser auf ihre gesundheitlichen Sorgen und Bedürfnisse eingehen mussten. Daraufhin verschafften wir ihnen Zugang zur medizinischen Versorgung der akuten Krankheiten wie Malaria, Masern und Durchfall. Wir begannen zudem mit dem Bau von Brunnen sowie Wasserstellen, wo sich die Menschen die Hände waschen können, um die Ausbreitung von Ebola zu verhindern. In den lokalen Behandlungszentren errichteten wir Isolierstationen für Ebola-Verdachtsfälle, damit die Patientinnen und Patienten in der Nähe ihrer Familien behandelt werden können, anstatt sich für die Isolierung und Tests woanders hinbegeben zu müssen. Indem wir auf die tatsächlichen gesundheitlichen Sorgen und Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung eingingen, konnten wir allmählich ihr Vertrauen zurückgewinnen. Leider wird dieser Ansatz noch immer nicht von allen Beteiligten verfolgt und es herrscht nach wie vor ein gewisses Misstrauen gegenüber den Hilfskräften. In zahlreichen Gebieten lehnen es Menschen weiterhin ab, sich impfen zu lassen oder Ebola- Behandlungszentren aufzusuchen, wenn sie krank sind.
Wenn ich die von Ebola dezimierten Familien und Dörfer sehe, bricht es mir das Herz, denn es hätte nicht so kommen müssen. Wenn im Kampf gegen Ebola kein radikales Umdenken stattfindet, dann ist ein baldiges Ende der Epidemie nicht in Sicht.
Ein Jahr nach Ausbruch sind 2600 Menschen erkrankt und über 1700 dem Virus zum Opfer gefallen. Anlässlich dieses ersten Jahrestages bin ich in Gedanken bei all jenen, die vom Virus betroffen sind. Ich hoffe, dass sich bald etwas ändern wird.»
© Pablo Garrigos/MSF