Erdbeben-Nothilfe: Unser erster Hilfskonvoi erreicht den Nordwesten Syriens

14 MSF-Lastwagen, die mit Zelten und Winterausrüstungen beladen waren, überquerten die Grenze zum Nordwesten Syriens vom Grenzübergang Hamam in der Türkei aus.

Syrien3 Min.

Am 19. Februar konnten 14 Lastwagen vom türkischen Grenzposten Hammam aus die Grenze nach Syrien passieren. Mit diesem ersten Hilfskonvoi von Ärzte ohne Grenzen / Médecins Sans Frontières (MSF) wurden 1296 Zelte und das dazugehörige Isolationsmaterial transportiert. Dieses kommt vertriebenen Menschen und Familien mit fünf oder mehr Mitgliedern zugute, die beim Erdbeben ihr Zuhause verloren haben. Weitere Konvois mit medizinischem und nicht-medizinischem Material sollten bald folgen. Wir betonen jedoch, dass die Hilfslieferungen dringend gesteigert werden müssen.

Tatsächlich haben in den ersten zehn Tagen nach der Katastrophe weniger Lastwagen die Grenzen in den Nordwesten Syriens passiert als im Durchschnitt des Jahres 2022. Unsere Teams, die schon seit mehr als zehn Jahren vor Ort sind, konnten sofort Nothilfemassnahmen starten.

Wir haben unsere Notvorräte in nur drei Tagen aufgebraucht. Wir haben den Spitälern der Region fast 12 Tonnen chirurgisches und Verbandsmaterial sowie Medikamente zur Verfügung gestellt.

Hakim Khaldi, MSF-Landeskoordinator in Syrien

«Unsere Teams haben die Gesundheitseinrichtungen unterstützt, bis sie nicht mehr konnten», berichtet Hakim Khaldi, unser Landeskoordinator in Syrien. «Von aussen haben wir keinerlei Hilfe gesehen. Die Lieferungen treffen zurzeit nur sehr spärlich ein.»

Unsere Teams haben einen enormen Hilfsbedarf ermittelt. So fehlt es an Unterkünften und zumutbaren sanitären Einrichtungen. Besonders gravierend: Die 180 000 Personen, die am 6. Februar durch die Erdbeben vertrieben wurden, kommen nun noch zu den rund zwei Millionen Menschen dazu, die bereits als Vertriebene unter prekären Bedingungen in der Region lebten. Diese waren in den vergangenen 12 Jahren vor dem Krieg in Syrien geflohen. Unsere Teams leisten derzeit logistische und medizinische Hilfe in fünf Aufnahmezentren im Norden von Idlib. Ein mobiles Team bietet Gesundheitsleistungen an, daneben verteilten wir Zelte, Wasser, Brot, Decken, Matratzen und Feuerlöscher. Nächste Woche starten wir Aktivitäten, um den Betrieb der Gesundheitsversorgung aufrechtzuerhalten und sicherzustellen, dass sowohl die Betroffenen des Bebens als auch der Rest der Bevölkerung Zugang dazu hat.

Lieferungen an Hilfsgütern reichen bei Weitem noch nicht aus

Die humanitäre Hilfe, die durch den grenzüberschreitenden Mechanismus in der Region angekommen ist, hat noch nicht einmal das durchschnittliche Volumen vor dem Erdbeben erreicht. Nach Angaben der Vereinten Nationen (UN) hatten fünf Tage nach dem Erdbeben lediglich zehn Lastwagen Syrien über Bab al-Hawa erreicht. Bab al-Hawa ist ein von den Vereinten Nationen koordinierter Grenzübergang für humanitäre Hilfe aus dem Nachbarland Türkei.

Bis zum 17. Februar sind über Bab al-Hawa und Bab Al-Salama insgesamt 178 Lastwagen mit Hilfsgütern von sechs UN-Organisationen in den Nordwesten Syriens gelangt. Zum Vergleich: Im Jahr 2022 sind 7566 Lastwagen mit Hilfsgütern über die Türkei in den Nordwesten Syriens gelangt. Das entspricht einem Durchschnitt von 227 Lastwagen für den gleichen Zeitraum von elf Tagen. Darüber hinaus brachte ein Teil der 178 Lastwagen keine Erdbebenhilfe, sondern bereits geplante Lieferungen. Selbst unter Berücksichtigung der dreitägigen Grenzschliessung entspricht das aktuelle Volumen der Hilfslieferungen kaum dem der humanitären Hilfe vor der Katastrophe.

73 Tonnen Material wurden verpackt und sind von Dubai aus gestartet. Weitere Konvois von MSF sollen bald folgen, um medizinisches und nicht-medizinisches Material zu liefern. Dubai, 15. Februar 2023

73 Tonnen Material wurden verpackt und sind von Dubai aus gestartet. Weitere Konvois von MSF sollen bald folgen, um medizinisches und nicht-medizinisches Material zu liefern. Dubai, 15. Februar 2023.

© Abdulmonam Eassa/MSF

Der Grenzübertritt unseres Konvois war dank der syrischen Partner-NGO Al Ameen möglich. Die Lieferung wurde abseits des grenzüberschreitenden Mechanismus der Vereinten Nationen (UN) organisiert, der keine logistische Ausrüstung abdeckt.

Wir fordern eine sofortige Aufstockung der Hilfe für die Menschen im Erdbebengebiet in Nordwest-Syrien, um die neuen humanitären Bedürfnisse zu decken. Der Bedarf in der Region war bereits vor der dem Erdbeben gross. Priorität sollte die Versorgung mit Zelten, Wasser und Sanitärausrüstung haben, sowie mit medizinischen Hilfsgütern für die postoperative Behandlung und die Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung.